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Muolen
13.06.2024

Wenn mit der Pension auch eine 175-jährige Pöstler-Dynastie zu Ende geht

Hildegard Rimle – ihr ganzes Berufsleben hat sie für die Post gearbeitet
Hildegard Rimle – ihr ganzes Berufsleben hat sie für die Post gearbeitet Bild: Thomas Schifferle
47 Jahre lang – ihr ganzes Berufsleben – hat Hildegard Rimle für die Post gearbeitet. Am Freitag, 21. Juni macht sie nun ihre letzte Tour als Zustellerin in Muolen und geht in Pension. Damit endet gleichzeitig auch die Geschichte der längsten Pöstler-Dynastie der Schweiz. Der Blick zurück auf eine 175-jährige Familientradition – mittendrin die Post.

Lachend erklärt Hildegard Rimle, dass sie nur eine «Angeheiratete» sei. Reto Rimle, ihr Ehemann, stehe ja eigentlich für die Posthalter-Dynastie Rimle. Bereits 2018 musste er aber aus gesundheitlichen Gründen seine Laufbahn bei der Post beenden.

Nun wird Hildegard Rimle am 21. Juni auf ihre letzte Zustelltour gehen und ein letztes Mal Briefe für die Post austragen. Dann tritt sie nicht nur in den Ruhestand, sondern beendet auch eine 175-jährige Familientradition.

Doch der Reihe nach:

Die 64-Jährige hat ihren späteren Ehemann – wie könnte es auch anders sein – bei der Arbeit in einer Poststelle kennengelernt. Sie arbeiteten im Herbst 1978 eine Woche lang in der Filiale St.Gallen Lachen zusammen, später verabredeten sie sich zu einem Kaffee ausserhalb des Postgebäudes, alles weitere nahm seinen Lauf. Als Partnerin an Retos Seite wurde sie so, gemäss den damaligen Gepflogenheiten, fast automatisch zur künftigen Posthaltersfrau von Muolen.

Hildegard und Reto Rimle – Posthalterehepaar in Muolen ab 1987 Bild: Familienarchiv Rimle

Begonnen hat die Geschichte der längsten Pöstler-Dynastie der Schweiz mit Josef Anton Rimle. Er übernahm 1849, im Gründungsjahr der eidgenössischen Post, die sogenannte Postablage und musste zweimal in der Woche mit dem Pferdefuhrwerk nach St.Gallen, um die Post zu holen und zu bringen. Er wurde dafür mit 180 Franken im Jahr entschädigt.

1877 übernahm mit Jakob Anton die zweite Generation die Postablage.

Es war die Zeit, in der die Gewaltentrennung noch keine grosse Rolle spielte. Jakob Anton Rimle war gleichzeitig Gemeindeammann, Bezirksrichter und Posthalter. Entsprechend gewürdigt wurde seine Rolle im Dorf auch in der Berichterstattung der Lokalzeitung zu seiner Beerdigung im Jahr 1917.

Der Chronist schrieb, dass es ein ungewöhnlich langer Leichenzug war und «es war eine würdige stimmungsvolle Beerdigungsfeier für einen wohlgeachteten, verdienten Beamten und Volksmann».

Theodor Rimle führte dann in dritter Generation die Postfiliale weiter. Er hatte unter anderem die Automatisierung der Telefonzentrale immer wieder hinausgeschoben – bis Muolen 1950 schliesslich die letzte Telefonzentrale der Schweiz hatte, in der noch «gestöpselt» wurde. In dieser Zeit musste auch immer jemand von der Familie neben dem Telefon schlafen – für Notfälle.

Telefonstation im Postlokal: Bis 1950 stöpselte Theodor Rimle noch die Telefonverbindungen Bild: Familienarchiv Rimle

Die Geschichte der Posthalter-Dynastie Rimle zeigt auch, dass die Führung eines Postbüros eine Familienaufgabe war. Wenn zum Beispiel bis in die 50er-Jahre der Mann die Telefonverbindungen stöpselte, stand die Frau am Schalter.

Hildegard Rimle erinnert sich an die Zeit mit vier kleinen Kindern, Haushalt und Beruf: «Wenn es einen Ansturm am Postschalter gab, habe ich die Pfannen vom Herd genommen und für unsere Kunden sofort den zweiten Schalter geöffnet».

Reto Rimle hat bereits als Kind seinem Vater in der Post geholfen und als Jugendlicher sogar die Ferienablösungen gemacht. Als sein Vater pensioniert wurde, hat dieser noch viele Jahre die Ferien abgelöst und mitgeholfen, wenn Not am Mann war. Und zu Weihnachten hat die ganze Familie angepackt, damit alle Pakete rechtzeitig den Weg unter den Christbaum gefunden haben.

Damit sind die Kinder jeweils in die Aufgaben hineingewachsen.

Und bei der späteren Berufswahl gab es für Reto höchstens einen sanften Druck der Eltern die Dynastie weiterzuführen. In früheren Zeiten war die moralische Verpflichtung, die Dynastie weiterzuführen, jedoch ungleich stärker.

So hat zum Beispiel der Bruder des Vaters von Reto Rimle auf die Übernahme der Poststelle Muolen verzichtet. Dies weil er keine Kinder hatte und damit die Übergabe in die fünfte Generation nicht gewährleisten konnte. Heute sind die Zeiten anders: Die vier Kinder von Hildegard und Reto Rimle haben allesamt andere Berufe gewählt.

Hildegard und Reto Rimle mit ihren vier Kindern vor der Post in Muolen Bild: Ralph Ribi

Mit dem letzten Arbeitstag von Hildegard Rimle geht nun auch diese Dynastie zu Ende. Sie ist froh, seit der Schliessung «ihrer Post» nicht irgendwo am Schalter, sondern als «Briefträgerin» in Muolen gearbeitet zu haben. «Ich habe mich immer als Dienstleisterin gesehen und nicht als Verkäuferin, so wie es heute immer häufiger hinter dem Schalter ist – und ich habe diese Zeit «draussen» genossen», sagt sie.

Sie nimmt in diesen Tagen bewusst Abschied von ihrer Kundschaft.

«Die Begegnungen mit den Menschen, das war das Wichtigste für mich», fügt sie an. Sie hat die Vertrautheit genossen, kannte die «Mödeli»  der Menschen und die Menschen kennen sie. «Gerade heute habe ich von einer Frau Rosen erhalten, so schön», erzählt Hildegard Rimle, die letzte in der langen und traditionsreichen Pöstler-Dynastie Rimle.

Die Posthalter-Dynastie Rimle im Überblick

Josef Anton Rimle übernahm im Jahr 1849 die Postablage in Muolen. 1877 folgte Sohn Jakob Anton Rimle, 1906 wurde die Postablage aufgrund des gestiegenen Verkehrs in ein Postbüro umgewandelt. Dieses befand sich in einem Hinterzimmer des Restaurant Hirschen. Der Zugang erfolgte durch die Restaurantküche, wurde gekocht, blieb die Post geschlossen. 1917 übernahm Theodor Rimle das Posthalteramt – für einen Jahreslohn von 1100 Franken. Ab 1952 übernahm Eugen Rimle. Der Beruf wurde ihm in die Wiege gelegt, denn er kam im Postgebäude zur Welt. Ab 1987 führte sein Sohn Reto die Filiale in Muolen bis zur Schliessung im Jahr 2013. Reto Rimle arbeitet anschliessend in verschiedenen Filialen am Schalter, bis er 2018 aus gesundheitlichen Gründen aus dem Berufsleben ausgestiegen ist. Sein Frau Hildegard Rimle arbeitet seit 2013 bis zu ihrer Pensionierung als Zustellerin in Muolen.

Dieser Artikel wurde von der Post zur Verfügung gestellt.

Post/stz.
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