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Schweiz
02.10.2023
02.10.2023 16:48 Uhr

Rücksichtslose Vermehrung: «Wann handelt die Politik?»

Esther Geisser
Esther Geisser Bild: tierimfokus.ch
Am 4. Oktober ist Welttierschutztag. Die Tierschutzorganisation NetAP verlangt, dass strengere Gesetze und ein konsequenterer Vollzug der bestehenden der «Vermehrungsflut» von Haustieren Einhalt gebieten.

Kaninchen, Schildkröten, Katzen, Hunde und weitere Tiere! Die Schweizerinnen und Schweizer gieren förmlich nach dem Jö-Effekt. Tiere tz produzieren, scheint immer populärer zu werden. Rücksichtslos wird vermehrt und der Nachwuchs wird verkauft, verschenkt, ausgesetzt oder getötet.

Tierheime und Auffangstationen sind übervoll und können Fund- und Verzichtstiere kaum mehr aufnehmen

Gibt es ausnahmsweise doch noch Platz, haben die betroffenen Tiere grosses Glück. Denn professionelle Auffangstationen achten später darauf, dass die Tiere nur in erfahrene Hände abgegeben werden. Etwas, wofür die «Produzenten» kaum sorgen, selbst wenn sie behaupten, für alle Tiere einen «guten Platz» gefunden zu haben.

Wer will, kann haben, auch wenn der zukünftige Halter keine Ahnung von den Bedürfnissen des neuen Haustiers hat. Doch Tierhaltung, so sie einigermassen artgerecht sein soll, ist anspruchsvoll. Und so vegetieren in Kinderzimmern, Stuben und Kellern unzählige Schildkröten, Meerschweinchen und Kaninchen jämmerlich vor sich hin.

«Werden uns zum Beispiel ausgesetzte Kaninchen gemeldet, ist das ein Notfall», gibt Esther Geisser, Präsidentin der Tierschutzorganisation NetAP, zu bedenken. «Ausgesetzte Hauskaninchen haben keine Chance, in der Wildnis zu überleben. Sie werden in der Regel umgehend Opfer eines Beutegreifers, deshalb ist in diesen Fällen Eile geboten.»

Vor allem in Wäldern, aber auch in der Agglomeration haben die Einsatzkräfte von NetAP schon mehrfach Kaninchen einfangen müssen. Die Dunkelziffer der ausgesetzten Hoppler schätzt Geisser als gross ein, da wohl die meisten unentdeckt bleiben und rasch sterben.

Die Herausforderung nach solchen Rettungsaktionen ist stets dieselbe: Wohin mit den Tieren?

Denn spezialisierte Stationen platzen aus allen Nähten. Sehr schwierig ist insbesondere die Unterbringung von Schildkröten. Oft unterschätzt werden nicht nur die Anforderungen an die Haltung dieser Tiere, sondern auch ihre Lebenserwartung. Über 100 Jahre alt können die Reptilien werden, doch wer plant schon so weit in die Zukunft?

Bei Hunden und Katzen sieht es nicht besser aus. Vor allem die Katzenflut schlägt in diesem Jahr alles bisher Dagewesene.

«Es müssen strengere Gesetze her und der Vollzug muss endlich konsequent erfolgen», fordert Juristin Geisser. Bereits heute verlangt Art. 25 Abs. 4 TSchV: «Die Tierhalterin oder der Tierhalter muss die zumutbaren Massnahmen treffen, um zu verhindern, dass sich die Tiere übermässig vermehren.»

Eine übermässige Vermehrung ist es mit Sicherheit, wenn der Nachwuchs nicht behalten und über Tutti oder Facebook verschenkt, im Tierheim abgegeben oder gar ausgesetzt oder getötet wird. Doch die Behörden schreiten nicht ein. Die angebliche Unsicherheit über die Auslegung dieses Artikels ist offensichtlich so gross, dass sie weiterhin lieber nichts tun – auf Kosten der betroffenen Tiere, die sich ja nicht wehren können.

Auch Bundesbern foutiert sich darum, dieser Bestimmung zu mehr Durchsetzung zu verhelfen

«Denn zu viele Politiker sorgen wohl selbst regelmässig für weiteren Nachwuchs», vermutet Geisser. Es sei an der Zeit, dass man Tiere nicht mehr als Hobby und Spielzeug, sondern als fühlende und leidensfähige Wesen mit eigenen Bedürfnissen wahrnimmt, und dass man nicht mehr einfach ins Blaue vermehren darf.

pd/stz.
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