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Stadt St.Gallen
14.04.2022
14.04.2022 16:39 Uhr

«Mohrenkopf»-Urteil spaltet Meinungen

Stephan Ziegler, Miryam Koc und Patrice Ezeogukwu sind geteilter Meinung.
Stephan Ziegler, Miryam Koc und Patrice Ezeogukwu sind geteilter Meinung. Bild: stgallen24
Ein Schweizer malt sich schwarz an, verkauft «Mohrenköpfe» und eröffnet damit eine Debatte über Rassismus, die sogar vor Gericht landet. Der Mann wird freigesprochen und die Reaktionen fallen unterschiedlich aus – auch in der stgallen24-Redaktion.

Markus Heim hatte im Sommer 2020 mit goldenem Umhang, schwarzer Lockenperücke und schwarz angemaltem Gesicht in Rorschach «Mohrenköpfe» der Firma Dubler verkauft. Gemäss Staatsanwaltschaft wurde das Produkt zuvor intensiv im Rahmen der Rassismus-Debatte besprochen. Mit seiner Aktion habe der Beschuldigte die Diskriminierung und Beleidigung dunkelhäutiger Menschen zumindest in Kauf genommen.

«Unsensibel, aber nicht rassistisch»

Das Kreisgericht Rorschach sprach den Beschuldigten mit Entscheid vom 3. März 2021 vom Vorwurf der Rassendiskriminierung frei. Dagegen erklärte die Staatsanwaltschaft Berufung und verlangte die Verurteilung von Markus Heim wegen Rassendiskriminierung zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen. Der Beschuldigte beantragte im Hauptpunkt die Abweisung der Berufung. Die Strafkammer des Kantonsgerichts hat den Entscheid des Kreisgerichts nun bestätigt, stgallen24 berichtete.

Das Urteil löst in den Sozialen Medien viele Reaktionen aus. So sind vor allem Kommentare wie «finde ich super», «es ist unsere Sprache, wer will uns die verbieten?» oder «die Gerechtigkeit hat gewonnen» zu finden. In der stgallen24-Redaktion gehen die Meinungen klarer auseinander:

Stephan Ziegler findet:

Wohl dem Land, das keine drängendere Probleme als einen Verkäufer hat, der sich als Afrikaner kostümiert! Mich hat schon die Anzeige gegen Markus Heim irritiert – wer kommt um Himmels Willen auf die Idee, deswegen jemanden anzuzeigen? Aber scheinbar ist es heute modern, Andersdenkende gleich vor den Kadi zu zerren. Zumindest auf der «woken» Seite.

Wenn wir anfangen, jeden darauf zu kontrollieren, ob seine Taten, Meinungen oder Worte nicht vielleicht unter Umständen eventuell noch irgend jemanden auf diesem Globus «verletzen» oder «diskriminieren» könnten, sind wir auf dem Weg zum Überwachungsstaat, zum Gesinnungsterror – die «Cancel Culture» lässt unheilvoll grüssen. Ob jemand sein Produkt Mohrenkopf oder Schokoladenkuss nennen will, ob jemand als Indianer, Mexikaner oder Afrikaner an die Fasnacht will, ob jemand Eskimo oder Inuit sagen will, sollte nicht Gegenstand von Diskussionen, sondern Selbstverständlichkeit sein. 

In der Logik der «woken» Wort- und Gesinnungspolizisten könnte ich mich sonst auch bald diskriminiert fühlen, soll ich doch als «alter weisser Mann» an allen Übeln dieser Welt schuld sein.

Miryam Koc findet:

Als ich mir die Kommentare auf Social Media unter dem Artikel durchgelesen habe, da habe ich nur Scham verspürt. Menschen mit sehr bünzligen Namen feiern das Urteil ab, als hätte die Schweiz gerade die Fussball-Weltmeisterschaft gewonnen. So viele Schweizerfahnen-Emojis, puh.

Dass die Tatbestände für eine Verurteilung wegen Rassendiskriminierung im Sinne des Gesetzes nicht erfüllt worden sind, gilt es zu akzeptieren. Dass man diesen Entscheid instrumentalisiert, um fragwürdige Sprache und aus der Zeit gefallene Verkleidung bzw. «Blackfacing» zu legitimieren, finde ich stossend. Das lässt tief blicken und zeigt, wie viele Menschen ihren Patriotismus und vermeidliche Liebe zu ihrem Land durch so etwas definieren – und wir in Sachen Aufklärung und rücksichtsvollem Umgang noch sehr viel zu tun haben.

Und ja, es gibt grössere Probleme auf der Welt, aber wie soll man denn diese bewältigen, wenn man schon Mühe damit hat, zu akzeptieren, dass ein Wort verletzend ist?

Patrice Ezeogukwu findet:

Mir ist es eigentlich völlig egal, ob diese ekligen Süsswaren jetzt «Mohrenköpfe» oder Schokoküsse heissen. Es stört mich viel mehr, dass Markus Heim sich des «Blackfacing» bedient hat. Solche Aktionen führen dazu, dass «Mohr» wieder zu einem abwertenden Begriff wird, weil eben der abwertend wirkende Link zu dunkelhäutigen Personen hergestellt wird. Oder haben nur die wenigsten, die Herr Heim beim Verkauf gesehen haben, gedacht: «Haha. Was ist denn das für ein komischer Clown?»

Die Kostümierung von Heim wirkt zumindest auf mich als Dunkelhäutiger einfach lächerlich und beleidigend. Wenn er die Dubler-«Mohrenköpfe» hätte promoten wollen, hätte er sich auch mit einer dunkelhäutigen Person zusammenschliessen können. «Ein Dunkel- und ein Hellhäutiger verkaufen Mohrenköpfe» – das wäre eine gute Schlagzeile gewesen.

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