Tütsche (Verb) steht für aufschlagen, stossen
«Das Ei, lateinisch ovum, ist ein System, das in einem frühen Stadium der Entwicklung (Ontogenie) eines eierlegenden Tieres (Ovipars) gebildet wird. Es besteht aus einer weiblichen Keimzelle, auch Eizelle genannt, aus Nährstoffen und schützenden Hüllen («Schale»). Das Ei entsteht während der Oogenese und in ihm entwickelt sich aus der meistens befruchteten Eizelle der Embryo.» Diese Information findet sich bei Wikipedia unter dem Stichwort Ei. Wollen wir das wissen, wenn wir am Ostersonntag beim Familienbrunch unsere Eier tütschen? Nein. Auch nicht, dass das Ei sozusagen ein Menstruationsprodukt einer Henne ist. Wää! Eier kommen vom Coop. Von der Migros und vom Bauern. Punkt. Und schmecken am besten mit viel Mayonnaise. Oder Aromat. Beim Thema Eier ploppen bei mir derart viele Themen auf, über die ich schreiben könnte, dass ich beinahe überfordert bin.
Als erstes denke ich – warum auch immer – an den Ostschweizer Star-Banker, der bald nur noch Eier hinter Gittern tütscht. Oder an die Tatsache, dass es neuerdings auch «veganes Ostereiertütschen» gibt. Mit Zartbitter-Schokolade-Eiern mit Kakaofüllung! Dann an meine Grossmutter, die zu Lebzeiten beim Eiertütschen immer so beschissen hat, dass sie sich vor Lachen kaum mehr halten konnte. Ihr Trick – den ich hier nicht verrate – funktionierte immer und liess uns alle in schallendes Gelächter ausbrechen. Oder es fällt mir das Ammenmärchen vom bösen Cholesterin ein, das uns die Ärzte jahrzehntelang auftischten und uns die Freude an jedem Eierbrötchen tüchtig vergellten.
Aber da es ja eigentlich nicht primär ums Ei, sondern ums tütsche geht, konzentriere ich mich auf die Wortherkunft, die es so auch im hochdeutschen Sprachgebrauch gibt. Tütschen, auch titschen, ditschen, bedeutet eintauchen, (ein)tunken, anstossen, aufprallen, und wird schon im 16. Jahrhundert erwähnt. Scheinbar ableitend vom lautmalenden tatschen. Titsche auch Tütsche, Ditsche, Tunke, Sauce (17. Jh.). Im Schweizerischen Idiotikon findet sich ähnliches: «Stossen, schlagen, klopfen, quetschen, weichschlagen von rohem Fleisch; aufklopfen, -brechen, zerstossen, zermalmen, als Osterbrauch, scherzhaft für prügeln, dengeln.» In Deutschland wird das titschen übrigens vorallem auch im Fussball verwendet.
Beispiele: «Der Ball kommt von rechts, titscht auf, ich treffe ihn nicht richtig, er fliegt in hohem Bogen in die Luft», oder «Der Kopfball flog an den Aussenpfosten und titschte dann über die Torauslinie.»
Doch viel spannender als die Herkunft wären beim Wort tütsche ganz eindeutig die unzähligen Osterbräuche, welche es in der Schweiz und den umliegenden Ländern gibt. Doch diese zu beschreiben, würde den Umfang meiner Kolumne sprengen.
Vielleicht sollte ich stattdessen einfach noch eine kleine Geschichte von meiner Mutter erzählen, der ich in meinem Mundartbuch ein Kapitel zum Thema «Eier» widmete. Es erstaunte mich generell immer wieder, mit welcher unglaublichen Gelassenheit sich ältere Generationen früher über sprachliche Konventionen hinwegsetzten, respektive ihre eigenen Konventionen schufen. Beim Fernsehsessel handelte es sich nicht um den «Fauteuil» sondern um den «Fotöll» mit mindestens zwei «ll» am Schluss, bei Erbsen um «Bovärli» und bei einem «Ei» eben um das «Eier». Sie haben richtig gelesen. Das Eier! «Wötsch no es Eier?» fragte meine Mutter immer mit der grössten Selbstverständlichkeit. «Mami, es heisst: Wötsch no es Ei? Das isch Einzahl!» korrigierte ich. «Eier sind Mehrzahl!»
«Bi üs nöd. Mer säged: es Eier!» Seelenruhig schob sie mir das Chörbli mit den Hühner-Menstruationsprodukten entgegen. «Wötsch etz no es Eier oder nöd?»
Ich habs dann aufgegeben. Irgendwann im letzten Jahrhundert.