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20.05.2021
21.05.2021 17:44 Uhr

Unterwegs im Rotlichtmilieu, Teil 2: Vor und hinter dem Tresen

Bild: Désirée Gächter
Im zweiten Teil unserer Erotikhaus-Reportage haben wir im Palladium mit Angestellten und einer Prostituierten gesprochen. Die männlichen Gäste hingegen gingen auf Abstand.

Nicht jede Person, die in einem Bordell oder in einem Erotikhaus arbeitet, bietet sexuelle Dienstleistungen an. Es gibt – wie in anderen Betrieben auch – verschiedene Berufe wie Geschäftsführer, Reinigungskraft, Assistentin oder Bardame. Sie alle hat rheintal24 auf dem Rundgang durchs Palladium getroffen.

Der Geschäftsführer

Auf seinem Computer ist viel nackte Haut zu sehen, und auf seinem Handy trudelt eine Nachricht nach der anderen ein. Sie kommen von Frauen, die Interesse haben, sich im Palladium einzumieten und mit ihren Dienstleistungen Geld zu verdienen. Andreas Tomaschek antwortet per Sprachnachricht oder telefoniert – das gehe schneller. Er ist Geschäftsmann durch und durch. Auch die Corona-Pandemie, die die Erotik-Branche hart getroffen hat, konnte den 59-Jährigen nicht aus der Bahn werfen. Kurzerhand entwickelte er ein neues Geschäftsmodell. Aber dazu mehr im dritten Teil dieser Serie.

Tomascheks Arbeit gehe aber viel weiter als das Managen des Palladiums. Er ist eben auch «Puffpapi» und hat stets ein offenes Ohr für die Frauen, die sich mit ihren Familien in die Haare kriegen, gesundheitliche Probleme haben oder von sonstigen Sorgen geplagt werden.

Andreas Tomaschek Bild: PD

Die Assistentin

Stets an Tomascheks Seite ist Jenni*: Sie verwaltet die Kasse, steht hinter der Rezeption, sorgt für das Ambiente in den Zimmern und ist Ansprechsperson für alle Frauen und Kunden. Die beiden kennen sich seit 15 Jahren. Ein Paar sind sie nicht. Früher war Jenni in der Immobilienbranche tätig, bevor sie in die Welt der Erotik eintaucht. Ihr gefalle die leitende Funktion sehr.

Jenni sieht jede Person, die durch die Tür des Palladiums kommt und geht. Was die Frauen leisten, bewundert sie: «Ich habe Höchstachtung vor ihnen; ich möchte das aber nicht machen müssen. Denn es ist harte körperliche Arbeit! Und sie verdienen jeglichen Respekt, denn sie müssen ihre Köpfe abstellen und jedem Mann vermitteln können, dass er etwas Besonderes sei.»

Jenni kommt ursprünglich aus Deutschland. Dort sehen viele die Erotikbranche als schmutzig an. Das könne daran liegen, dass man dort alles auf billige Laufhäuser und die noch billigere Reeperbahn reduziere. Ihren Verwandten und Bekannten aus Deutschland möchte Jenni zeigen, dass es nicht nur ein dreckiges Geschäft gibt, sondern auch gehobene Etablissements, wo es den Frauen gut geht. 

  • Ein Standard-Zimmer Bild: Désirée Gächter
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  • Ein Deluxe-Zimmer Bild: Désirée Gächter
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Die Sexarbeiterin

Auch Nina* kommt aus Deutschland und hat sich für sechs Tage im Palladium eingemietet. Sie bietet den Freiern verschiedene Dienste an und kann so ihr Leben gut finanzieren. Doch so war es nicht immer: Denn der Start in der Erotikbranche war für Nina ein holpriger, und die Arbeit machte ihr zu schaffen. Besonders den Kopf abzuschalten, sei ihr am Anfang sehr schwer gefallen. Mittlerweile ist Nina glücklich und hat durch die Arbeit viele gute Bekanntschaften geschlossen. «Es gibt viele Männer, die nicht wegen dem Sex kommen, sondern nur reden möchten. Manchmal brauchen die Leute einfach nur Gesellschaft – das habe ich lieber als schnellen Sex.»

Viele Prostituierte haben einen Mann oder sogar Kinder. Manche werden sogar morgens von ihrem Mann zur Arbeit im Palladium gefahren. Bei Nina ist das nicht so. Sie ist Single und zufrieden damit: «In diesem Job ist es besser, alleine zu sein. Denn man kann mit dem Geld machen, was man will, und selbst sein Leben gestalten.»

Frauen können im Palladium kommen und gehen. Es gibt genügend Interessentinnen, damit immer circa 20 vor Ort sind. Nina hat keinem genauen Lebensplan und lebt in den Tag hinein: «Solange es für mich passt, bleibe ich. Und sonst gehe ich zurück nach Deutschland, wo ich noch eine Wohnung habe.»

Alle Frauen die vor Ort sind, findet man auf der Homepage vom Palladium. Bild: Andreas Tomaschek, Palladium

Die Barkeeperin

Sandra* war 20 Jahre in der Gastronomie tätig und verlor aufgrund der Pandemie ihre Festanstellung. Aus der Not heraus arbeitete sie in einem Vier-Schicht-Betrieb, doch dies wurde der Frau irgendwann zu anstrengend. Und so wurde sie  durch eine Freundin auf den Job als Barkeeperin im Palladium aufmerksam gemacht. Doch kurze Zeit später wurde die Bar umfunktioniert, weil Andreas Tomaschek ein Coworking-System einführte. Seitdem dient die ehemalige Bar als Cafeteria für die berufstätigen Mieter. Deshalb serviert Sandra jetzt Cafés statt Cocktails.

Sie habe sich die Arbeit in einem Erotikbetrieb anders vorgestellt: «Ich dachte immer, dass die Männer kommen, trinken, bumsen und gehen. So ist das aber nicht. Seit ich hier arbeite, habe ich gemerkt, dass viele nicht nur wegen den Frauen kommen, sondern auch wegen dem Wellness. Es ist wirklich viel angenehmer, als ich gedacht habe. Alle sind hier nett, und das Gesamtpaket stimmt einfach.» 

Die Kunden

Als ich an der Bar sass und mit Barkeeperin Sandra* sprach, hörte der Kunde neben mir, dass ich hier bin, um einen Artikel für rheintal24 zu schreiben. Sofort stand er auf und lief weg. Es hatte zahlreiche männliche Besucher an diesem Dienstagnachmittag, doch alle hielten Abstand und gingen meist schnurstracks in den Saunabereich, in den ich – angezogen – natürlich nicht gegangen bin.

Am späteren Nachmittag stand ich hinter der Rezeption, an der die männlichen Gäste ihr «Abenteuer» buchen. Ein Herr im Alter von circa 50 Jahren kam herein und schaute mich an. Ihm war es unangenehm, und ich beobachtete einfach, was er bei Jenni «bestellte». Er wollte eine halbe Stunde Sex, da er gemäss seinen Aussagen nicht viel Zeit habe. Dann nannte er einen Namen einer Prostituierten und Jenni teilte ihm mit, dass diese noch nicht vor Ort sei. Daraufhin wollte er eine Dame aussuchen, da seine Stammdame nicht für ihn da war.

Jenni pfiff in die Cafeteria und sagte zu den Damen: «Mädels, vorstellen!» Der Mann nahm auf dem Thron, der auf dem Titelbild zu sehen ist, Platz und wartete. Kurz darauf liefen alle 16 Frauen füdliblutt und in Reih und Glied vor den Thron und positionierten sich. Der Freier musterte alle von Kopf bis Fuss, eventuell auch nur von Hals bis Hüfte, und entschied sich dann für die Vierte von rechts. Alle anderen Damen gingen zurück in die Cafeteria oder an die Stange – und die Auserwählte ging mit dem 50-Jährigen in den oberen Stock zu den Zimmern.

Nach einer halben Stunde kamen sie herunter, er zahlte, sie kassierte, und beide gingen getrennte Wege.

Im dritten Teil erzählt der Geschäftsführer, wie er auf die Idee kam, einen Workings-Space im Erotikhaus zu errichten. 

Désirée Gächter/rheintal24/stgallen24
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