Lexit: Ja oder Nein?
Sollen wir sofort aus dem Lockdown aussteigen oder noch zuwarten? Miryam Koc, leitende Redaktorin von stgallen24, und Stephan Ziegler, Chefredaktor der MetroComm AG, haben unterschiedliche Meinungen.
Pro:
Inzwischen wird wohl jeder gemerkt haben, dass es dem Chinavirus so ziemlich egal ist, welche Massnahmen wir anordnen: Es kommt in Wellen und foutiert sich um Lockdown-Szenarien, die wir ihm entgegenstellen. Wir wissen schlicht noch nicht, welche Massnahmen greifen und welche nutzlos sind. Macht es da Sinn, mit der Schrotflinte auf das Virus zu schiessen, in der Hoffnung, dass vielleicht eines der vielen Kügelchen trifft, die anderen aber - bestensfalls - nutzlos verpuffen oder - schlechtestenfalls - massive Kollateralschäden hervorrufen?
Ich finde: Beschränken wir die Massnahmen auf persönlichen Schutz wie Maske, Abstand und Impfen - und lassen wir die Finger von Schliessungen und dergleichen, da deren Nutzen mehr als angezweifelt werden darf. Was soll es bringen, Fitnesscenter und Einkaufsläden zuzumachen, bei denen die Besucherzahl einfach über Quadratmeterregeln gesteuert werden könnte, aber Coiffeure und Massagestudios offenzulassen, bei denen sogar anhaltender körperlicher Kontakt stattfindet?
Beendet diesen Unsinn, und zwar besser heute als morgen. Zu hoch ist der Preis, den wir für unsichere Resultate bezahlen.
Stephan Ziegler
Kontra:
So verlockend ein Lockdown-Ausstieg auch klingen mag, so verheerend könnte er zu diesem Zeitpunkt sein: Wir wissen noch nicht, wie sich die Mutationen in den nächsten Wochen entwickeln werden; ein Superspreader-Event könnte ausreichen, um die Zahlen wieder nach oben zu katapultieren. Dann würden wir ein Déjà-Déjà-vu erleben: Wir hätten an der Freiheit geschnuppert, um sie uns kurze Zeit später wieder wegnehmen zu lassen. Das wäre selbstzerstörerisch und würde der Reputation des Landes erneut schaden.
Mit der Öffnung von Betrieben würde ausserdem der Zuspruch auf Hilfeleistungen entfallen. Ein weiterer Punkt: Sollte es grosse Lockerungen geben, obwohl erst ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft ist (aktuell wurden knapp 800‘000 Impfdosen verabreicht), könnte sich eine «Impf-Faulheit» einschleichen. Warum sollte man sich die Spritze geben, wenn man auch ohne normal leben kann?
Früher oder später käme es zur dritten Welle. Je mehr Menschen bis dann geimpft sind, desto besser könnte man sie abfedern. Deshalb finde ich, dass wir die Massnahmen noch eine Weile aushalten, unsere lokalen Betriebe mit Spenden und Take-Aways unterstützen sollten - und Bund sowie Kantone an den finanziellen Hilfspaketen und an der Impfkampagne dringend feilen müssen.
Neidisch können wir nach Neuseeland blicken, wo ein nahezu normales Leben ohne Einschränkungen möglich ist. Wieso? Weil die Bevölkerung monatelang auf die Zähne gebissen hat und sich die Regierungen nicht von ihrem Weg hat abkommen lassen - trotz tiefen Fallzahlen.
Miryam Koc