Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Stadt St.Gallen
16.02.2021
17.02.2021 15:52 Uhr

«Die Innenstadt so zu sehen, tut weh»

16. Februar 2021: Kaum etwas los in der Stadt St.Gallen. (Bild: Miryam Koc)
16. Februar 2021: Kaum etwas los in der Stadt St.Gallen. (Bild: Miryam Koc) Bild: zVg
Noch immer befindet sich die Schweiz im Lockdown-Dilemma: Aussteigen oder Abwarten? Auch in den Sozialen Medien wird darüber hitzig diskutiert.

Mindestens bis Ende Februar befindet sich die Schweiz im Shutdown und ob der Bundesrat am Mittwoch dann erste Lockerungen ausspricht, ist noch nicht klar. Was aber klar ist, ist dass die aktuellen Corona-Massnahmen die Meinungen spalten. Während in der Politik immer mehr Parteien einen Ausstieg fordern, warnen Experten vor einer dritten Welle.

Aber was meint die Bevölkerung? Schliesslich ist sie es, die mit den Massnahmen und den Konsequenzen leben muss. Mit dem stgallen24-Beitrag «Lockdown: Aussteigen oder Abwarten?» ist eine hitzige Diskussion auf den Sozialen Medien entfacht und es haben uns viele Lesermeinungen erreicht, denen wir hier eine Plattform geben möchten. 

Traurig über leere Multergasse

Leserin Christina S. schreibt beispielsweise: «Es gibt keine Garantie auf Leben... Mit einem Bruchteil der Kosten wäre das Gesundheitssystem ausgebaut, ohne Kollateralschäden und ohne Panikmache!»

Lilly H. postet ein Foto von der leergefegten Multergasse und fasst ihre Gedanken zusammen: «Totenstille, kaputte Existenzen, Angst und Panik... Ein Virus spaltet die Menschen, als hätte es vorher Krankheit und Schicksale nie gegeben....Jetzt gibts nur Eines... SARS COV 2 in verschiedensten Mutationen und Farben. Angst ist ein guter Nährboden, wird ein Gedanke gepflanzt... wuchert er, bei täglicher Pflege und lässt die anderen Gedanken verkümmern...»

Bild: zVg

«Man wird entfremdet»

Viele weitere User teilen diese Meinung und fordern dazu auf, den Lockdown sofort zu beenden:

  • Bild: zVg
    1 / 3
  • Bild: zVg
    2 / 3
  • Bild: zVg
    3 / 3

stgallen24-Leser Bonifaz Kühne schreibt in einem Mail:

«Bin ich ganz klar der Meinung, dass der Lockdown beendet werden muss - dieser Meinung sind hier im St.Galler Oberland viele - zum einen sinken die Zahlen seit Wochen zum anderen sind Busse und Züge zum Teil Rand voll, aber Beize dürfen nicht öffnen - noch absurder ist's bei den Läden Blumen darf ich kaufen - Schuhe oder Kleider für die ich ja die Beratung brauchen würde aber nicht! Die Bundesräte führen sich auf wie Schildbürger!»

Gespaltene Meinung auf Instagram

Während auf Facebook sich fast alle für einen Lockdown aussprechen, ist die Meinung auf Instagram etwas weniger deutlich: Dort haben 75 Userinnen und User abgestimmt. Das Ergebnis: 48 waren für «Lockdown beenden» und 27 Stimmen waren dagegen. 

64 Prozent wollen raus aus dem Lockdown. (Bild: Instagram stgallen24) Bild: zVg
Lockert der Bundesrat am Mittwoch? Bild: Miryam Koc

Lexit: Ja oder Nein?

Sollen wir sofort aus dem Lockdown aussteigen oder noch zuwarten? Miryam Koc, leitende Redaktorin von stgallen24, und Stephan Ziegler, Chefredaktor der MetroComm AG, haben unterschiedliche Meinungen.

Pro:

Inzwischen wird wohl jeder gemerkt haben, dass es dem Chinavirus so ziemlich egal ist, welche Massnahmen wir anordnen: Es kommt in Wellen und foutiert sich um Lockdown-Szenarien, die wir ihm entgegenstellen. Wir wissen schlicht noch nicht, welche Massnahmen greifen und welche nutzlos sind. Macht es da Sinn, mit der Schrotflinte auf das Virus zu schiessen, in der Hoffnung, dass vielleicht eines der vielen Kügelchen trifft, die anderen aber - bestensfalls - nutzlos verpuffen oder - schlechtestenfalls - massive Kollateralschäden hervorrufen?

Ich finde: Beschränken wir die Massnahmen auf persönlichen Schutz wie Maske, Abstand und Impfen - und lassen wir die Finger von Schliessungen und dergleichen, da deren Nutzen mehr als angezweifelt werden darf. Was soll es bringen, Fitnesscenter und Einkaufsläden zuzumachen, bei denen die Besucherzahl einfach über Quadratmeterregeln gesteuert werden könnte, aber Coiffeure und Massagestudios offenzulassen, bei denen sogar anhaltender körperlicher Kontakt stattfindet?

Beendet diesen Unsinn, und zwar besser heute als morgen. Zu hoch ist der Preis, den wir für unsichere Resultate bezahlen. 

Stephan Ziegler

Kontra:

So verlockend ein Lockdown-Ausstieg auch klingen mag, so verheerend könnte er zu diesem Zeitpunkt sein: Wir wissen noch nicht, wie sich die Mutationen in den nächsten Wochen entwickeln werden; ein Superspreader-Event könnte ausreichen, um die Zahlen wieder nach oben zu katapultieren. Dann würden wir ein Déjà-Déjà-vu erleben: Wir hätten an der Freiheit geschnuppert, um sie uns kurze Zeit später wieder wegnehmen zu lassen. Das wäre selbstzerstörerisch und würde der Reputation des Landes erneut schaden.

Mit der Öffnung von Betrieben würde ausserdem der Zuspruch auf Hilfeleistungen entfallen. Ein weiterer Punkt: Sollte es grosse Lockerungen geben, obwohl erst ein kleiner Teil der Bevölkerung geimpft ist (aktuell wurden knapp 800‘000 Impfdosen verabreicht), könnte sich eine «Impf-Faulheit» einschleichen. Warum sollte man sich die Spritze geben, wenn man auch ohne normal leben kann?

Früher oder später käme es zur dritten Welle. Je mehr Menschen bis dann geimpft sind, desto besser könnte man sie abfedern. Deshalb finde ich, dass wir die Massnahmen noch eine Weile aushalten, unsere lokalen Betriebe mit Spenden und Take-Aways unterstützen sollten - und Bund sowie Kantone an den finanziellen Hilfspaketen und an der Impfkampagne dringend feilen müssen.

Neidisch können wir nach Neuseeland blicken, wo ein nahezu normales Leben ohne Einschränkungen möglich ist. Wieso? Weil die Bevölkerung monatelang auf die Zähne gebissen hat und sich die Regierungen nicht von ihrem Weg hat abkommen lassen - trotz tiefen Fallzahlen.  

Miryam Koc

stgallen24
Demnächst