Grace Schatz, Sie waren Gymnasiallehrerin, bevor Sie RegioHerz gegründet haben. Wie kam es zu diesem Schritt?
Die Wurzeln liegen in der Corona-Zeit. Im März 2020 herrschte plötzlich Stillstand: leere Strassen, Homeoffice, Schockstarre. Ich unterrichtete online – und merkte gleichzeitig, dass die ersten Verlierer dieser Situation die kleinen Produzenten und Bauern waren. Ohne Märkte hatten sie keinen Absatz mehr, ihre Existenz war akut gefährdet. Gleichzeitig erzählten mir meine Tanten in St.Gallen, dass sie liebend gern beim Bauern einkaufen würden – doch ohne Auto sei das unmöglich. Da dachte ich: Bring zusammen, was zusammengehört. Produzenten mit tollen Produkten und Städter, die genau danach suchen. Viele hielten mich damals für verrückt: «Midlife-Crisis», hiess es. Aber ich entschied mich nicht gegen die Schule, sondern für etwas Neues. Ich probierte es einfach. Und siehe da: Fast fünf Jahre später sitzen wir im doppelt so grossen Laden bei einer Tasse Kaffee.
Wie war der Start für Sie persönlich?
Abenteuerlich! Ich hatte nur die Idee auf dem Papier und bin mit ihr von Hof zu Hof gefahren, habe sie Bauern erklärt – und dabei sehr viel Schnaps trinken müssen (lacht). Viele Bauern waren skeptisch: «Hast du schon Käse? Hast du schon Saft? Brauchst du mich überhaupt noch?» Kleine Produzenten dagegen, die in ihrer Freizeit Liköre, Backmischungen oder Sirup herstellen, haben sofort verstanden: Für zwei Franken am Tag bekommen sie bei uns Platz, Licht, Strom, Sichtbarkeit, Werbung – alles. Die ersten Regalmieter zu finden, war ein Krampf, aber kaum eröffnete ich, füllte sich der Laden fast wie von allein. Heute muss ich keine Klinken mehr putzen.
Sie mussten bald in grössere Räumlichkeiten ziehen.
Ja, weil es zu eng wurde. Monat für Monat kamen neue Produzenten. Irgendwann musste ich schweren Herzens «nein» sagen, weil der Platz fehlte. Gerade die Kleinen brauchen aber eine Plattform wie unsere. Heute haben wir doppelt so viel Platz, konnten die Warteliste abbauen und das Sortiment noch vielfältiger machen.