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17.11.2025

Letzte Chance, die Wracks im Zürichsee unversehrt zu sehen

Silvan Paganini, Präsident des Schiffsbergevereins in Romanshorn
Silvan Paganini, Präsident des Schiffsbergevereins in Romanshorn Bild: Kurt Hunziker
Im Zürichsee wurde erstmals die invasive Quaggamuschel nachgewiesen. Wracktaucher Silvan Paganini warnt, dass die historischen Wracks schon bald vollständig überwachsen sein könnten. Seine jüngsten Expeditionen zeigen eindrücklich, wie einzigartig und wertvoll die unversehrten Relikte heute noch sind.

Im Zürichsee wird erstmals das Auftreten der invasiven Quaggamuschel nachgewiesen. Welche Folgen dies haben wird, weiss Wracktaucher Silvan Paganini nur zu gut. Am Bodensee führte die rasante Ausbreitung der Quaggamuschel dazu, dass innerhalb weniger Jahre sämtliche Wracks in geringerer Tiefe vollständig überwachsen wurden.

Feinste Details verschwanden unter dicken Muschelschichten, und selbst in Tiefen von über 200 Metern breiteten sich die Muscheln explosionsartig aus und begannen, die historischen Relikte vollständig zu bedecken.

Für den Zürichsee bedeutet dies: Es bleibt nur noch eine kurze Zeitspanne, um die Wracks in ihrem ursprünglichen Zustand zu bestaunen und zu dokumentieren.

In den vergangenen Wochen absolviert Silvan Paganini mithilfe modernster Sonarsysteme und Tauchrobotik 55 Tauchgänge im Zürichsee bis hinunter auf 132 Meter Tiefe. Dabei untersucht er 44 Wracks und ist überzeugt: «Es gibt noch viele weitere, die darauf warten, gefunden zu werden.»

Unter den Wracks befinden sich 26 Lastschiffe, jedes mit seiner eigenen Geschichte und Einzigartigkeit. Dazu gehören ein Lastschiff, das rund 35 Kilogramm Silber in Form von Schlacke transportiert, Lastschiffe mit ersten Petroleummotoren aus den 1890er Jahren sowie Wracks mit tragischen, historisch bekannten Hintergründen.

Das Besondere: Noch sind die Wracks nicht von Quaggamuscheln überzogen.

Paganini beschreibt seine Eindrücke emotional: «Ich hatte ein lachendes und ein weinendes Auge, lachend, weil die Wracks noch so gut erhalten sind und man jedes Detail erkennt. Weinend, weil ich weiss, dass dies in wenigen Jahren vorbei sein wird.»

Um diese historischen Zeugnisse für die Zukunft zu bewahren, werden die Wracks erneut umfassend erfasst, in hochauflösenden 4K-Aufnahmen, mit präzisen Sonardaten sowie einem Unterwasser-Positionsreferenzsystem, das die Modellierung als 3D-Objekte ermöglicht.

Auch nach Überresten von Flugzeugabstürzen wird gesucht.

Zwar können mehrere auffällige Funde gemacht werden, jedoch lassen sich diese nicht eindeutig einem Flugzeug zuordnen.

Paganini erklärt: «Es scheint, als seien bei früheren Bergungen im Zürichsee Flugzeugteile sehr gründlich entfernt und der Bereich regelrecht saubergeputzt worden. Das ist im Bodensee anders, dort findet man selbst nach Bergungen noch zahlreiche Bauteile oder sogar fast vollständige Flugzeugreste.»

Der Zürichsee birgt noch immer faszinierende Geheimnisse. Doch das Zeitfenster, sie unversehrt zu erleben, schliesst sich schnell.

Silvan Paganini (*1984) ist Ingenieur, Hochseekapitän und Experte auf dem Gebiet der Schiffsbergung. Er wurde durch sein Projekt bekannt, das Dampfschiff Säntis aus den Tiefen des Bodensees zu bergen. Trotz Rückschlägen und einer fehlgeschlagenen ersten Bergungsmission ist ein weiterer Versuch aufgrund der Finanzierung gescheitert

Paganini wuchs in Gossau auf. Nach einer Ausbildung zum Landschaftsgärtner und Stationen als Lastwagenfahrer, Schweizergardist und Kampfmittelräumer in der Armee verfolgte er seinen Berufsweg in der Seefahrt. Über ein Praktikum auf dem Segelschiff Salomon gelangte er in die maritime Welt, studierte Wirtschaftsingenieurwesen und erwarb später ein Kapitänspatent für Schiffe aller Arten und Grössen für die weltweite Fahrt.

Silvan Paganini arbeitete zwölf Jahre auf internationalen Schiffen, darunter als Zweiter Offizier auf der Pioneering Spirit, einem der grössten Schiffe der Welt. Er spezialisierte sich in der Seefahrt auf Offshore-Spezialschiffe und qualifizierte sich als Senior Dynamic Positioning Operator (DPO) sowie als Helikopter-Landeoffizier (HLO). Im Rahmen internationaler Offshore-Projekte war er massgeblich am Einsatz dieser Schiffe in der Nord- und Ostsee, im Golf von Mexiko, in Brasilien, der Karibik, Australien, Indien und Korea beteiligt.

stgallen24/stz.
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