«Seit Langem existieren unterschiedliche Interpretationen darüber, ob das Tragen eines Kopftuchs für gläubige Musliminnen zwingend ist. Die Auslegung und Handhabung dieser – im Koran nicht explizit festgehaltenen – Norm soll hoffentlich jede Muslimin für sich selbst entscheiden können.
Und wenn sich eine junge Primarlehrerin in der Freizeit diesem vermeintlichen Gebot unterwerfen will, ist das legitim und kein Grund für Ausgrenzung, blöde Sprüche oder Werturteile.
Ich halte aber fest: Das Tragen eines Kopftuchs aus religiös motivierten Gründen ist ein weitgehendes, sichtbares Zeichen der Religionszugehörigkeit – und einer konservativen Auslegung derselben. Damit einher geht ein aus meiner Sicht veraltetes Rollenverständnis der Frau. Mit ihrer Verhüllung sollen ja die Männer vor unzüchtigen Gedanken und Handlungen geschützt werden …
Wenn nun eine Lehrerin im Klassenzimmer das Kopftuch trägt, ist dies ein aussergewöhnliches, aus meiner Sicht extremes Bekenntnis zur Religion.
An einer öffentlichen Schule hat ein solches Bekenntnis einer Lehrerin nichts verloren. Die Religionsfreiheit bleibt gewahrt, auch wenn die Arbeitgeberin dies an ihrer Schule untersagt.
Wir in der Schweiz sind weltmeisterlich darin, jede mögliche Ungleichbehandlung im Keim unterdrücken zu wollen. So interpretiert die SP-Kantonalpräsidentin im Kontext des Kopftuchtragens einer Lehrerin auch das Tragen eines Kreuzes an der Halskette als problematisch. Es soll diskriminierend sein, wenn einer Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs im Schulzimmer untersagt wird, andere Lehrpersonen jedoch eine Halskette mit Kreuz tragen dürfen.
Ich unterstütze klar die Trennung von Kirche und Staat. Aber hören wir auf, Ungleiches gleich machen zu wollen und vorschnell diskriminierendes Verhalten vorzuwerfen. Unsere Gesellschaft und Tradition hier in der Schweiz basiert auf dem Christentum (Präambel zur Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft).
Das Tragen eines Kreuzes am Hals oder auch das Aufhängen eines Kruzifixes an einer Schule sind Zeichen unserer gesellschaftlichen Werte – und nicht zu vergleichen mit dem Kopftuchtragen einer Lehrerin.
Und der städtische Bildungsdirektor Gabathuler frohlockt geradezu, wenn nach den Sommerferien die erste Lehrerin mit Kopftuch an einer städtischen Schule unterrichtet. Die Eltern in der Stadt seien weiter, offener und diverser. Wenn er sich dabei nur nicht täuscht …»