Als Baslerin ist Béatrice Schweizer mit der Fasnacht aufgewachsen, das Bild und die Kraft des Dämonischen sind ihr vertraut. In Selbstbildnis Béatrice S. sagt sie: «Lassen wir die Dämonen auch in dem Film ihr Wesen treiben. Ich will zeigen, dass es sie gibt. Damit bin ich kein mittelalterlicher Spinner, sondern Avantgarde! Es bestehen doch eindeutige Anzeichen für eine Wiederkehr und Wiedererkenntnis der hellen und dunklen Kräfte, gerade wenn sie aus dem eigenen Hirn stammen. Irgendwie müssen sie doch hineingekommen sein.»
Das Bilderlager der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel
Rund 5‘000 Arbeiten umfasst das Bilderlager der UPK Basel. Sie entstanden von Patienten vor Ort in den 1960er- bis 1990er-Jahren und der Grossteil gehört zur historischen Sammlung. In vielen Fällen sind die Arbeiten wohl einfach dortgeblieben, aber Patienten wurden auch aktiv um Schenkungen gebeten. In den 1950er-Jahren kam zur üblichen Arbeitstherapie als heiltherapeutische Massnahme die Beschäftigungstherapie auf – die heutige Ergotherapie.
Deren vorrangige Aufgabe, neben der Verbesserung und Wiederherstellung funktionaler Fähigkeiten, auch Raum bot für Ablenkung, u.a. im ausdruckszentrierten Arbeiten, Malen, Gestalten. Parallel nahm das psychiatrische Interesse an Patientenarbeiten noch einmal zu. Man sammelte und archivierte sie, möglicherweise auch in Hinblick auf eine diagnostische Auswertung.
Kunsttherapie als eigenständiges und ergänzendes Therapieangebot dürfte gegen Ende der 1980er-Jahre eingeführt worden sein und war u.a. in der Psychotherapeutischen Tagesklinik der UPK ein integraler Bestandteil des Therapieangebotes. Zwar wurden Ergotherapie und kreatives Gestalten vermehrt noch als Beschäftigungstherapie verstanden, so haben Ärzteschaft und Therapeuten die Patienten doch mit Wertschätzung und auch professionellem Interesse zur künstlerischen Arbeit ermutigt.
Kunst in der Psychiatrie
Dieser Zeit des Aufbaus des Bilderlagers gingen die in den 1930er-Jahren unter dem Direktor John E. Staehelin (1928–1959) angelegten Kunstgewerbeateliers voraus. Dort wurde auch künstlerisch gearbeitet – ob begleitet oder unbegleitet, ist unklar.
Überrascht liest man die Aussage des Arztes Ludwig Blankart, der im Juni 1935 im Behandlungsprotokoll einer Patientin berichtet, dass diese, obwohl inzwischen zu Hause, «tagsüber ins Malatelier» kam. Die klare Benennung eines Malateliers spricht für ein institutionalisiertes Verständnis künstlerischer Tätigkeit in den UPK.
Kunst gehört heute zum kulturellen Engagement der UPK Basel. Kunst unterstützt den Gedanken des kulturellen Verständigens und leistet einen Beitrag zur Öffnung der Psychiatrie. Deshalb finden in den UPK Basel in regelmässigen Abständen Kunstausstellungen statt. Sie zeigen vielfältige Aspekte gestalterischer Ausdrucks- und Kunstformen und stehen in Korrespondenz mit Themen der Gesellschaft sowie der Psychiatrie und Klinik.
Klinikalltag und Lebensgeschichten in den UPK Basel
Die heutigen Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) Basel sind seit ihrer Gründung auch unter den Namen Irrenanstalt Basel (1886–1898), Kantonale Heil- und Pflegeanstalt Friedmatt (1899–1960) und Psychiatrische Universitätsklinik (bis 2005) bekannt.
Erst 1954 wurden die Mauern, die das Gelände umgaben, abgerissen und mit der Einführung von Psychopharmaka und neuen symptomreduzierenden Ansätzen in der Behandlung der Patienten die Gitter vor den Fenstern entfernt.
Bis dahin war das Areal der Psychiatrie ein in sich geschlossener Kosmos. Behandlungsmethoden und Therapien entsprechen dem Wissen und der Entwicklung der jeweiligen Zeit. Seit 2013 setzen die UPK Basel das Konzept der «Open door policy» konsequent um.
Wie war der Klinikalltag in der Psychiatrie, wie haben Menschen die Hospitalisierung empfunden?
Das persönliche Erleben der zwischen 1960 und 1990 oft langzeithospitalisierten Patienten ist mittels Einträgen in den Krankenakten nachvollziehbar. Das Historische Museum Basel hat im Rahmen seiner Ausstellung «verrückt normal» (September 2024 bis Juni 2025) zur Geschichte der Psychiatrie in Basel einen Podcast zu neun Fallgeschichten produziert, der in «Ein Traum von einem Ballkleid» integriert wird.
Katja Rehmann und Micha Gasser erzählen unter Verwendung von Pseudonymen die Geschichten von Menschen, die zwischen 1879 und 1984 in der Basler Psychiatrie waren. Anhand der historischen Fallgeschichten geht der Podcast auf den Klinikalltag ein, thematisiert frühere Therapieansätze und macht persönliche Schicksale greifbar. Sie stehen stellvertretend auch für die Patientenkünstler der Ausstellung, deren Lebensgeschichten, Namen und Identität aus Persönlichkeitsschutzgründen unbekannt, nicht öffentlich einsehbar und anonymisiert sind.
Die schützende Anonymisierung birgt ihrerseits allerdings ein Problem: Die in der Signatur ausdrücklich vertretene Autorschaft und Selbstermächtigung wird übergangen, der Mensch, entindividualisiert, ist in seiner Persönlichkeit und Weltsicht ausschliesslich über das Werk identifizierbar. Die für die Werkrezeption wichtigen Informationen zum Kontext und Entstehungszeitpunkt und zur Anbindung an die jeweils individuelle Lebensgeschichte fehlen.
Healing Art
Konzepte von Gesundheit und Krankheit unterliegen dem gesellschaftlichen Wandel, wissenschaftlichen Erkenntnissen, politischen Aushandlungen von Norm und Abweichung sowie unserem Verständnis von Lebenskonzepten – die aktuell wieder stark verhandelt werden. Das Rahmenprogramm zur Ausstellung ist daher nicht auf ein defizitär verstandenes Krankheitsbild ausgerichtet. Der Fokus liegt auf mentaler Gesundheit.
Dabei sollen auch neue Perspektiven zu Healing Art und kreativen Wegen der mentalen Gesundheitsförderung eröffnet werden. Schon die Psychiater Ende des 19. Jahrhunderts wussten um die positive Wirkung des Kunstschaffens für die mentale Gesundheit, lange bevor Kunsttherapie angeboten wurde.
Die Idee «Museum auf Rezept» reagiert auf neue Erkenntnisse einer Studie, die eine nachhaltige positive Wirkung und des Wohlbefindens schon aufgrund der Kunstbetrachtung aufzeigt. In der Schweiz hat die Stadt Neuchâtel darauf reagiert.
Kuratorinnen
Dr. Monika Jagfeld, Museumsleiterin, Open Art Museum, St.Gallen Isabelle Zürcher MA, Sammlungskuratorin, Open Art Museum, St.Gallen In Kooperation mit Annetta Neyenhuys, Dipl. Kunsttherapeutin, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel