«Ich bin nach wie vor frustriert. Das Abstimmungsresultat zum Finanzausgleich hinterlässt Spuren und Fragen. Unter anderem erwische ich mich auch drei Tage später noch mit den Gedanken: «Wie zahlen wir es ihnen heim?»
Ich frage mich aber auch, wie ist es erneut zu einem solchen Stadt-Land-Graben gekommen ist und ist es überhaupt ein politischer Graben? War/Ist es vielleicht einfach künstlich herbeigeführter Hass auf die Stadt? Ich hoffe nicht!
Letzteres scheint mir aber dennoch nicht ganz abwegig. Einerseits weil der dominante bürgerlich-konservative Kantonsrat sich schon länger intensiv (und das teilweise mit sehr bescheidenem Anstand) in die Stadtpolitik einmischt (oder soll ich sagen Stadtbashing betreibt?) und zweitens halte ich eine Retourkutsche aufgrund der städtischen Ablehnung der nationalen Autobahnabstimmung für denkbar.
Fakt ist, die Hauptstadt tickt anders und das gefällt einem überwiegenden Teil des Kantons nicht.
Das gilt es jetzt zu akzeptieren. Gleichzeitig appelliere ich aber auch an die Gemeinden. Akzeptiert, dass eine Stadt ganz andere Anliegen und Herausforderungen zu meistern hat als ländliche Gemeinden. Wenn in der Stadt grüne Anliegen Mehrheiten finden, dann hat es damit zu tun, dass wir vielleicht doch zu wenig Grün haben.
Wenn wir in der Stadt Velos hoch gewichten, dann hat es vielleicht auch damit zu tun, dass wir hunderte, tausende oder gar zehntausende Autos an gewissen Lagen ertragen müssen. Wenn wir Infrastruktur bereitstellen, dann muss diese für zehntausende Leute funktionieren, sie muss für Bewohner, Gewerbe und Industrie zur Verfügung stehen.
Wenn wir Parkplätze aufheben oder verschieben, dann braucht es einen Balanceakt zwischen Platzverschwendung und tatsächlicher Nachfrage. Und wenn die Stadt proportional mehr Menschen beherbergt, die sonst auf dem Land stigmatisiert und teilweise ausgeschlossen werden, die sich in kleineren Gemeinden nicht wohlfühlen, dann hat das nicht nur mit Anonymität, sondern auch mit den vorhandenen Anlauf- und Fachstellen in der Stadt zu tun, die ihre Hilfe anbieten.
Zudem bieten wir allen an, sich bei uns in der Stadt «auszutoben».
Kultur, Sport, aber auch grössere Stadtfeste, Museen, Kulinarisches, Messen, Circus und und und … (fast) die ganze Palette. Die SVP hat das aber im Abstimmungskampf unterschlagen oder mit der landläufigen Floskel «Links-Grün regierte Stadt, die das Geld zum Fenster rauswirft» beiseite gewischt.
Ich akzeptiere das Abstimmungsresultat ohne Wenn und Aber. Wir müssen in der Stadt den Gürtel noch enger schnallen. Nicht wie die SVP es der Stimmbevölkerung verkauft hat bei Velotunnels, Parkplätzen oder Verkehrsfragen (dort hätten wir auch bei einem Ja massiv sparen müssen), sondern im Bereich Soziales, Kultur, Sport und Freizeit.
Also überall dort, wo wir Infrastruktur und Dienstleistungen finanzieren, die auch von Nichtstädtern genutzt werden.
Wir sind gezwungen laut darüber nachzudenken, was wir den anderen Gemeinden noch anbieten können, anbieten wollen und was nicht. Das ist eine Nebenwirkung. Eine andere: Es wird Städter geben, die die Abstimmung nicht so schnell vergessen und regionalen Projekten ablehnend gegenüberstehen werden, weil sie sich verar…t vorkommen.
Wie stark und lang das anhalten wird, hängt auch davon ab, wie der Kantonsrat weiter politisiert. Hat er genug vom Stadtbashing oder macht er weiter wie gewohnt? Hoffen wir, dass da einige aufgrund ihres Abstimmungserfolges zur Besinnung kommen.
Fakt ist: Hier hat niemand gewonnen. Auch die Abstimmungsgewinner nicht.»