Home Region Sport Magazin Schweiz/Ausland Agenda
Stadt St.Gallen
20.02.2023
20.02.2023 15:34 Uhr

Knaben «abgetastet»: Afghane (21) erhält Geldstrafe

Das Kreisgericht St.Gallen
Das Kreisgericht St.Gallen Bild: mik
Im Mai 2022 kam es auf einem Spielplatz in St.Georgen zu einem Vorfall. Ein 21-jähriger Afghane musste sich am Montag vor dem Kreisgericht St.Gallen wegen sexueller Belästigung und Handlungen mit Kindern verantworten. Anders als die Staatsanwaltschaft forderte, gab es weder einen Landesverweis noch eine Freiheitsstrafe.

Der Beschuldigte soll gemäss der Anklage im Mai 2022 auf einem Sportplatz in St.Georgen eine Gruppe Kinder – zwei Mädchen und drei Buben – angesprochen und sie gefragt haben, ob sie seinen Airpod, den er auf dem Sportplatz nach dem Joggen verloren habe, gefunden und eingesteckt hätten. Dies, obwohl die Kinder dem Mann bei der Suche geholfen haben. 

Nachdem die Kinder verneint hatten, soll der Beschuldigte drei Knaben im Alter von elf Jahren zweimal abgetastet hatte. Bei allen dreien soll er mit offener Hand Klopfbewegungen an den Körperseiten sowie den Oberschenkeln entlang ausgeführt haben.

Zudem habe er den Knaben ans Gesäss gefasst. Bei zwei Knaben soll er weiter über den Kleidern den Penis und bei einem Knaben zusätzlich den Hodensack berührt haben. Dabei habe er einmal seine Hand zu einer Schale geformt. Die Berührungen im Intimbereich hätten jeweils eins bis zwei Sekunden gedauert, wie die Kinder aussagten. Sie trugen dabei Fussballhosen, die keine Hosentaschen hatten und worin sie keinen Airpod versteckt haben konnten. 

«Abtasten in Afghanistan normal»

Vor Gericht gab der Beschuldigte, der 2015 aus Afghanistan in die Schweiz flüchtete, zu, dass er die Knaben abgetastet habe. Allerdings «nur so, wie ein Securitas dies getan hätte». Dass er zwei der Knaben an Gesäss und Penis sowie Hoden berührt habe, verneinte er. Zudem soll er die Kinder nur einmal  – und nicht, wie die Knaben aussagten – zweimal abgetastet haben. 

Eine Frau, die als Zeugin aussagte, habe die Szenen aus einer Entfernung von 20 bis 30 Metern beobachtet. Die Art und Weise, wie der Beschuldigte die Kinder berührte, sah nach einer «polizeilichen Untersuchung» aus. Die Frau sei daraufhin wütend auf den Mann zugegangen und habe ihn gefragt, was er da mache und ihn weggeschickt. Der Beschuldigte habe dann die Kinder zu seinem Auto gerufen und ihnen Kleingeld angeboten. Dies begründet er vor Gericht damit, dass er sich aufgrund der Reaktion der Frau Gedanken gemacht habe, ob er etwas Falsches getan hätte und wollte die Kinder «entschädigen».

In Afghanistan sei es zudem «normal» und «alltäglich», dass man bei einem Verdacht von Diebstahl oder ähnlichem, Knaben abtasten darf. Die Mädchen hingegen nicht, denn das müsse eine Frau machen, so der 21-Jährige vor dem Kreisgericht. Dies kommentierte die Staatsanwältin damit, dass sie zwar nicht wisse, ob das so sei, aber man nach über sieben Jahren in der Schweiz davon ausgehen kann, dass das hier nicht üblich sei.

Widersprüchliche Aussagen

Die Staatsanwaltschaft führte aus, dass die Aussagen der Kinder sehr glaubwürdig seien. So hätten sie die Ereignisse detailliert und aufschlussreich geschildert und sollen den Beschuldigten nicht unnötig belastet haben, was für ihre Glaubwürdigkeit spreche. Die Kinder spielten nach dem Vorfall weiter Fussball und erzählten ihren Eltern erst später von den Ereignissen. Das Erlebnis sei zwar komisch, aber laut den Knaben weder traumatisierend noch schlimm gewesen. Einer der Knaben sagte aus, dass er sich unwohl gefühlt hätte.  

Der Verteidiger des Angeklagten schilderte, dass es unwahrscheinlich sei, dass der Beschuldigte einem sexuellen Trieb nachging. Der Spielplatz sei an einem öffentlichen Ort gelegen, wo sich auch Erwachsene tummelten. Zudem hätte er sein Auto mit klar erkennbarem Nummernschild daneben geparkt. Zum Zeitpunkt der Tat habe der Beschuldigte finanzielle Sorgen gehabt und sei verzweifelt gewesen. Deshalb sei es ihm so wichtig gewesen, dass er den verlorenen Airpod wiederfinde. 

Der Afghane sagte vor Gericht aus, dass er an diesem Tag gejoggt sei und nachher bei einem Telefongespräch einen Airpod aus dem Ohr nahm, um mit seiner Familie zu telefonieren. Diese Aussagen widersprechen laut Staatsanwaltschaft den Daten auf dem Smartphone. Es konnte kein Telefongespräch nachgewiesen werden und auch eine App, die Schritte aufzeichnet, zeigte während dem Zeitraum, an dem der Mann eine grosse Runde gejoggt sei, lediglich etwas über 500 Schritte an. 

Keine sexuelle Handlung

Vor Gericht ging es um die Frage, ob die Tatbestände der sexuellen Belästigung und der sexuellen Handlungen mit Kindern erfüllt worden sind. Das Gericht sprach den 21-Jährigen der mehrfachen sexuellen Belästigung schuldig, aber nicht der sexuellen Handlungen. Der Beschuldigte soll laut dem Gericht einen Vorwand gesucht haben, um mit den Kindern in Kontakt zu kommen. Das schliesse man aus den Auswertungen des Mobiltelefons sowie den widersprüchlichen Aussagen des Mannes. Die Gründe, weshalb er die Kinder abgetastet habe, seien dubios gewesen. Er habe gesehen, dass die Kleidung der Kinder offensichtlich keine Taschen hatten – und trotzdem wollte er schauen, ob sie seinen Airpod eingesteckt hatten.

Laut dem Basler Kommentar handle es sich beim Abtasten der weiblichen oder männlichen Geschlechtsteile über den Kleidern eines Kindes um sexuelle Handlungen. Das Bundesgericht sagt hingegen, dass sexuelle Handlungen eine gewisse Erheblichkeit im Hinblick auf die sexuelle Entwicklung des Kindes haben.

Das Kreisgericht St.Gallen kam deshalb zum Entschluss, dass die Art und Weise der Berührungen nicht genügend erheblich waren, dass der Tatbestand der sexuellen Handlung mit einem Kind erfüllt ist. Die Berührungen seien laut dem Richter dennoch «nicht in Ordnung gewesen» und der Mann habe sich im Hinblick der sexuellen Belästigung strafbar gemacht.

Der 21-Jährige habe die Kinder zwar nicht offensichtlich dazu gezwungen, sich berühren zu lassen, sondern sich laut dem Richter «formell» das Einverständnis geholt, aber dieses sei forciert gewesen. 

Afghane darf im Land bleiben

Des Weiteren musste sich der Mann wegen eines weiteren Vorfalls vor Gericht verantworten. Er hat Lernfahrer begleitet, als er selber über einen Führerausweis auf Probe verfügte und 21 Jahre alt war. Er bekannte sich in diesem Fall schuldig.

Das Gericht verurteilte den Mann am Montag zu einer Geldstrafe von 3'100 Franken und einem lebenslänglichen Tätigkeitsverbot mit Kindern. Die Verfahrenskosten von 23'606.17 muss der 21-Jährige selbst bezahlen. Die Staatsanwaltschaft forderte eine zu vollziehenden Freiheitsstrafe von 24 Monaten sowie eine Busse von 1300 Franken. Zudem wollte sie, den Afghanen acht Jahre aus der Schweiz verweisen.

Der Tatbestand der sexuellen Belästigung sieht keinen obligatorischen Landesverweis vor, deshalb hat das Gericht auch keinen ausgesprochen. Der Richter wies den Mann aber darauf hin, dass er hier sehr nahe an einer sexuellen Handlung mit einem Kind war und das zu einem Landesverweis geführt hätte.

Sollte der Mann die Geldstrafe nicht bezahlen können, wird er mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bestraft. Weil er bereits 22 Tage in Untersuchungshaft war, verbleiben noch neun Tage, die der Mann absitzen müsste.

Miryam Koc/stgallen24
Demnächst