Der «Marie Heim-Vögtlin»-Preis ist mit 25'000 dotiert. «Es ist eine grosse Ehre für mich, diese Auszeichnung zu erhalten», sagt HSG-Literaturwissenschaftlerin Anna Elsner. Der Namensgeberin des Preises, Marie Heim-Vögtlin, kommt eine besondere Rolle in der Geschichte der Schweiz und der Frauengeschichte zu: Als erste Ärztin in der Schweiz verkörperte sie eine moderne Frau, die Familie und Beruf vereinbarte.
«Die Frage, wie berufstätige Eltern diesen Spagat meistern können, beschäftigt uns immer noch. Ich selbst habe an einem Frauencollege studiert (St. Hilda’s College, Oxford), was mich stark geprägt hat und es ist mir ein grosses Anliegen, forschende Eltern zu unterstützen», erklärt die Literaturwissenschaftlerin.
Palliative Care und Sterbehilfe in der französischen Literatur
«Der Preis hat zudem eine spezielle Bedeutung für mich, da sich meine Forschung mit dem System Medizin und der Sterbehilfe beschäftigt», sagt Prof. Dr. Anna Elsner. Das Konzept der Palliative Care wurde Ende der 60er-Jahre entwickelt und soll den Sterbeprozess möglichst angenehm gestalten.
Dennoch wird das Konzept seither auch immer wieder kritisiert. Die Preisträgerin hat sich in ihrer Forschung mit der Aufarbeitung des Sterbens in der französischen Literatur seit den 70er-Jahren auseinandergesetzt und ist dort auf sehr persönliche Einblicke in die Institutionalisierung des Sterbens gestossen.
Die Literatur des Sterbens
Prof. Dr. Anna Elsner hat sich in ihrer Forschung mit der Aufarbeitung des Sterbens in der französischen Literatur seit den 70er Jahren auseinandergesetzt und ist dort auf sehr persönliche Einblicke in die Institutionalisierung des Sterbens gestossen.
«Meine Forschung versucht die Rolle der Palliative Care in der französischen Literatur seit den 70er-Jahren in Frankreich aufzuarbeiten. Ich konnte zeigen, dass Literatur sich seither auf eine neue Weise mit dem Sterben beschäftigt. Das eigene Sterben wird in vielen dieser Texte zum persönlichen Projekt, wie dies in Ruwen Ogiens Mes Mille et Une Nuits (2017) der Fall ist. Oder aber, die schriftstellerische Begleitung des Sterbens eines geliebten Menschen wird selbst zu einer Art palliativen Praxis.» Kritik an der modernen Medizin spiele aber in allen diesen Texten eine zentrale Rolle, so Anna Elsner.
Beitrag zur Debatte über die Sterbehilfe
Ein weiteres Forschungsprojekt von Anna Elsner wurde kürzlich mit einem renommierten ERC Starting Grant ausgezeichnet. «Mein Team und ich erforschen die Rolle von Texten und Filmen in Gesetzgebungsprozessen in Bezug auf das assistierte Sterben», erklärt Professorin Elsner.
Das Projekt, das sich auf mehrere Sprachregionen und Kulturen sowie fünf unterschiedliche Rechtssysteme konzentriert, soll einen differenzierten Beitrag zu gesellschaftlichen Debatten über die Sterbehilfe ermöglichen.
Die Relevanz des Projektes, das sich mit Veränderungen in Gesetzgebungsprozessen beschäftigt und diese vergleicht, ist gerade jetzt wieder aktuell: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat am 9. Dezember 2022 einen Bürgerrat zum Thema Sterbehilfe einberufen. Dies könnte Ende 2023 zu einem neuen Gesetz führen.
«Wir werden diesen Prozess genau begleiten und untersuchen, in welcher Form Texte, Filme und mediatisierte Einzelfälle in die Diskussionen miteinbezogen werden.»