Nicht nur biologische Sexualkunde
Grundsätzlich sind die Inhalte des sexualkundlichen Unterrichts im Lehrplan Volksschule verankert und obligatorisch zu vermitteln. «Die Lehrpersonen sind dabei angehalten, auf ihren Unterricht auf den Entwicklungsstand der Kinder und Jugendlichen auszurichten.»
Neben dem biologischen Teil des Aufklärungsunterricht (Körper, Geschlechtskrankheiten, Empfängnisverhütung) nähern die Schüler sich laut Volksschulamt auch dem Bereich der Sexualität – dies unter dem Titel «Mit Freundschaft und Liebe vertraut werden».
«Hier liegt der Fokus darauf, geschlechtsspezifischen Verhalten respektive Rollen und Vorurteile kennen zu lernen und zu hinterfragen», heisst es seitens des Amts weiter. Zudem soll über Kameradschaft, Freundschaft, Liebe und Sexualität nachgedacht und gesprochen werden.
Weiter informieren die Lehrpersonen die Erziehungsberechtigten vorgängig zum Sexualkundeunterricht schriftlich oder mündlich über die Art der Durchführung, die Ziele und Inhalte. «So wird den Erziehungsberechtigten ein Vorlauf und eine eigene angepasste Begleitung der Kinder ermöglicht.»
Keine Lehrmittel vorgegeben
Aber welche Lehrmittel für diesen Unterricht verwendet werden, ist nicht definiert. Es werden auch keine empfohlen. «Die Lehrpersonen sind jedoch befähigt, eine eigene Auswahl an geeigneten, zielgerichteten und altersgemässen Unterrichtsmaterialien einzusetzen», so das Volksschulamt.
Der Unterricht in Sexualkunde erfordere eine sorgsame Berücksichtigung des Alters der Kinder und Jugendlichen. Dabei stehen das Schaffen einer Vertrauenskultur und aufklärende Gespräche in sensiblen Bereichen im Vordergrund.
«Welche Medien und Unterrichtsmaterialien dafür verwendet werden oder ob gar auf solche verzichtet wird, entzieht sich unseren Kenntnissen. Dies liegt in der Verantwortung der Schulen und den Lehrpersonen im Einzelnen», so das Amt abschliessend.
Sonderseite in der Jahresagenda
Aber wo hat die Doppelseite nun ihren Ursprung? Nach Recherchen und Nachfragen zeigt sich, dass die Doppelseite als Sonderseite für die Jahresagenda von Oberstufenschülern angeboten wird. Sie kann in mehreren Deutschschweizer Kantonen bestellt werden – im Kanton St.Gallen haben das 85 Schulen gemacht.
Die Agenda sei Teil des Präventionsprogrammes Freelance, das Lehrpersonen darin unterstützt, Themen wie Tabak, Alkohol, Cannabis oder Soziale Medien in den Unterricht zu integrieren, wie das Amt für Gesundheitsvorsorge auf Anfrage schreibt. Ziel sei es, Lebenskompetenzen, insbesondere Reflexions- und Sozialkompetenzen, zu fördern – dazu gehört auch die LGBTIQ+-Thematik.
So informiert die Doppelseite über «Geschlechtervielfalt», «Geschlechtsidentität» und «Sexuelle Orientierung». «Jugendliche sollen dafür sensibilisiert werden, dass es Menschen gibt, die sich nicht (nur) in den gängigen Geschlechterkategorien wiederfinden», meint das Amt für Gesundheitsvorsorge. Das helfe, Verständnis und Akzeptanz für diese Menschen zu entwickeln. Zudem zeige diese Seite betroffenen Jugendlichen auch, dass sie nicht alleine sind.
Gender ist nicht gleich biologisches Geschlecht
Anders als das biologische Geschlecht fallen «Geschlechtsidentität» und «Gender» (soziales Geschlecht) nicht in den Bereich der Naturwissenschaften, sondern in den der Sozialwissenschaften, wie das Amt weiter schreibt. Dabei gebe es kein allgemeingültiges Modell für eine Darstellung dieser Identität – dies, weil sie individuell sehr unterschiedlich sei. Der «Genderbread» ist nur ein Beispiel.
Diskurs um das Thema noch jung
Ob solche Themen mehr verwirren statt aufklären, lässt sich nicht eindeutig sagen. Rückmeldung von Jugendlichen oder Schulen sind bis lang noch keine eingegangen. Auch Reaktionen von Erziehungsberechtigten sind ausgeblieben.
Aber: Die ganze Thematik ist noch jung und der Diskurs über Begriffe und Kategorien noch lange nicht abgeschlossen, wie das Amt für Gesundheitsvorsorge meint.
«Das Thema beinhaltet eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden, bisher vorherrschenden Kategorien. Es soll Jugendliche dabei unterstützen, Verständnis für sich selbst und ihre Mitmenschen zu erlangen und eine gemeinsame Auseinandersetzung damit fördern.»