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Teufen AR
23.03.2022
23.03.2022 09:14 Uhr

Tinder-Date als «Bewerbungsgespräch»

Für Pierin Vincenz aus Teufen fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das Urteil folgt am 13. April
Für Pierin Vincenz aus Teufen fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Das Urteil folgt am 13. April Bild: Bild Keystone
Nach acht Verhandlungstagen ist der Raiffeisen-Prozess in Zürich am Dienstag zu Ende gegangen. Der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz betonte in seinem Schlusswort, dass er «nichts Unrechtmässiges getan» habe.

Er sei sich bewusst, dass er in den zwanzig Jahren bei Raiffeisen auch Fehler gemacht habe, sagte Vincenz zum Schluss des Prozesses. «Manchmal habe ich auch übertrieben.»

Aber er könne versichern, dass er nie etwas mit der Absicht gemacht habe, Raiffeisen und Aduno zu schädigen. Er habe nichts Unrechtmässiges getan und fordere deshalb einen Freispruch.

Das Tinder-Date als «Bewerbungsgespräch»

Die Zürcher Staatsanwaltschaft wirft Ex-Raiffeisen-Chef Vincenz und seinem Geschäftskollegen Beat Stocker unter anderem Betrug vor, weil sie sich versteckt an Firmen beteiligt haben sollen.

Danach hätten sie darauf hingewirkt, dass diese durch die von ihnen geführten oder beratenen Unternehmen - die Raiffeisenbank und die Kreditkartenfirma Aduno - aufgekauft worden seien. Bei diesen Transaktionen und Übernahmen sollen Vincenz und Stocker unrechtmässige Gewinne in Millionenhöhe eingestrichen haben.

Vincenz wird zudem angelastet, private Auslagen auf Geschäftsspesen genommen zu haben. In der Anklageschrift sind Besuche in Stripclubs für insgesamt 200'000 Franken und private Reisen für 250'000 Franken aufgeführt. Vincenz hatte diese Ausgaben mit «Beziehungspflege zu Geschäftsleuten» begründet. Ein Tinder-Date in einem teuren Restaurant bezeichnete er als «Bewerbungsgespräch».

Urteil im Theatersaal

Die Staatsanwaltschaft beantragt für Vincenz und Stocker Freiheitsstrafen von je sechs Jahren. Fünf weitere Mitbeschuldigte sind angeklagt, weil sie Vincenz und Stocker verschiedentlich Beihilfe geleistet haben sollen. Für sie fordert die Staatsanwaltschaft bedingte und teilbedingte Freiheitsstrafen sowie in einem Fall eine Geldstrafe.

Die Verteidiger der sieben Beschuldigten hatten die Anklage während des Prozesses heftig kritisiert: Sie bezeichneten dabei einzelne Passagen auch als «Quatsch» und als «beinahe schon spassig». Fakten würden konsequent ausgeblendet. Sie forderten vollumfängliche Freisprüche sowie angemessene Genugtuung für ihre Mandanten.

Das Bezirksgericht Zürich wird das Urteil gegen Vincenz, Stocker und die fünf Mitbeschuldigten am 13. April im Theatersaal im Zürcher Volkshaus eröffnen.

Wer sind die Beschuldigten?

 

Pierin Vincenz, Teufen, von 1999 bis 2015 CEO der Raiffeisen-Gruppe. Er hat die Genossenschaftsbank zur drittgrössten Bank der Schweiz und zur Nummer eins im Hypothekargeschäft gemacht. Von 1999 bis 2017 war Vincenz zudem Präsident der Kreditkartenfirma Aduno (heute: Viseca).

Der Berner Unternehmer Beat Stocker war von 1999 bis 2015 Aduno-Verwaltungsrat, von 2006 bis 2011 auch CEO. 2011 bis 2015 war Stocker zudem als Berater für Raiffeisen tätig.

Stéphane Barbier-Mueller, Mitglied einer reichen Genfer Familie, welche die Immobiliengruppe Pilet & Renaud besitzt und 2002 die Genève Credit & Leasing gründete. Dieses vergab Konsumkredite und wurde von Barbier-Mueller präsidiert.

Immobilier Ferdinand Locher aus La-Tour-de-Peilz wurde als Stadioninvestor beim FC Thun bekannt, mit dessen Vereinsführung er sich öffentlich verkrachte. Locher war zudem Hauptaktionär beim Unternehmen Eurokaution, das Mieterkautions-Versicherungen vermittelte.

Peter Wüst aus Engelburg, ehemaliger CEO der Kiosk-Inhaberin Valora, und Andreas Etter, Rapperswil, einstiger McKinsey- und UBS-Manager. Zusammen gründeten sie 2009 die Investnet AG in Herisau. Diese sollte KMU-Firmen auf der Suche nach Risikokapital mit Investoren zusammenbringen.

Christoph Richterich, Zürcher Kommunikationsberater. Er arbeitete jahrelang für Vincenz und die Raiffeisen-Gruppe.

Quellen: NZZ und Blick

SDA/stgallen24
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