Mit dem Programm «Blickwechsel» bringt das Team der Career Services der Ostschweizer Fachhochschule OST Arbeitnehmer und Studenten auf unkonventionelle Art zusammen: Während einer Woche verlassen die Studenten ihr gewohntes Umfeld, um fremde Luft in einer ihnen völlig unbekannten Branche zu schnuppern.
Julia Zürcher, Wirtschaftsstudentin im achten Semester, kommt eben von ihrem Blickwechsel zurück. Während einer Woche durfte sie in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen einen Blick in den Alltag einer Pflegestation werfen. «Es war mehr als nur ein Blickwechsel», sagt die 27-jährige St.Gallerin.
Blick auf Betriebsabläufe geschärft
Da war einerseits der «geplante Blickwechsel» der angehenden Betriebsökonomin in den Bereich Pflege von Menschen mit einer psychischen Erkrankung. Aber auch innerhalb der Pflege habe sie den Blick schärfen können: «Ich durfte die Pflegenden im Arbeitsalltag unterstützen. Ich begleitete aber auch die Patientinnen und Patienten und konnte so deren Position erfahren.» Aus menschlicher Sicht ein lehrreicher Prozess, sagt Julia Zürcher.
Aber auch für ihre Arbeit als Betriebsökonomin sei der Blickwechsel eine wichtige Erfahrung gewesen: «Es gibt Parallelen zwischen Pflege und Wirtschaft: Auch in der Psychiatrischen Klinik wird beispielsweise die Patientin, der Patient als Kundin, als Kunde betrachtet. Das Wohl des Menschen steht im Mittelpunkt. Und daran muss sich alles orientieren. Es geht um die Wertehaltung.»
Gleichzeitig wie Julia Zürcher beteiligte sich auch Nathalie Steiger am Programm «Blickwechsel». Während einer Woche legte die angehende Betriebsökonomin im sechsten Semester Bilanzen und Betriebsrechnungen beiseite, um in den Alltag auf einer Suchtstation der Psychiatrischen Dienste Thurgau einzutauchen.
«Ich hatte früher schon Erfahrungen im Gesundheitswesen gesammelt», sagt die 23-jährige Gossauerin. Die Pflege war ihr also nicht neu. Der Blickwechsel habe ihre Sicht geschärft für die Betriebsabläufe in einem Klinik-Alltag: «Der Mensch steht im Zentrum. Und das sollte auch in einem Wirtschaftsunternehmen so sein.» Sie könne sich gut vorstellen, nach dem Studienabschluss an der OST als Betriebsökonomin im sozialen Umfeld zu arbeiten.
Wichtige Aussenperspektive
Die Pflegestudentin Irene Fischbacher hat ihren Blickwechsel in einem Industrieunternehmen gemacht. Sie konnte die Leimholz Haag AG in Steinach mit einer detaillierten Analysearbeit im Aufbau des neuen Webshops unterstützen. Obwohl sie aufgrund von Corona nicht vor Ort war, hat sie wertvolle Eindrücke gesammelt: «Es war sehr spannend zu sehen, wie unterschiedlich die Menschen aus der Pflege und die Menschen aus der Holzbaubranche Aufgaben angehen. Und doch gibt es Dinge, die man voneinander abschauen kann», sagt Fischbacher.
Doch nicht nur die Studenten der OST ziehen einen Mehrwert aus dem Blickwechsel, auch die teilnehmenden Organisationen profitieren davon: «Die Studenten bringen eine Aussenperspektive mit, ohne vorgespurte Meinung. Sie haben eine frische Sicht auf Prozesse, die vielleicht schon ein wenig festgefahren sind», sagt Peter Haag, Geschäftsführer der Leimholz Haag AG, stellvertretend für alle Praxispartner. Er sei beeindruckt, wie schnell sich die Studenten in ein Thema eingearbeitet und Ergebnisse präsentiert hätten, die für das Unternehmen von Nutzen seien.
Sicht für interdisziplinäre Arbeit
Im Programm «Blickwechsel» wechseln Studenten des Bachelor-Studiums der Fachbereiche Gesundheit und Soziale Arbeit für eine Woche in ein privatwirtschaftliches Unternehmen. Die Studenten des Bachelor-Studiums der Fachbereiche Wirtschaft, Bau und Technik hingegen wechseln für eine Woche in eine Non-Profit-Organisation in der Sozialen Arbeit oder im Gesundheitswesen.
Eine Erfahrung, die in einer modernen, polyvalenten Gesellschaft immer wichtiger werde, findet Claudia Moser-Klaus, Leiterin Career Services OST: «Oft haben wir in einer Branche einen einseitigen Blick auf Sachverhalte und Problemstellungen. Die interdisziplinäre Arbeit eröffnet uns eine andere Sicht und somit auch neue Lösungsansätze»
Das Modul ziele darauf ab, die Kompetenzen über den fachspezifischen Fokus hinaus zu erweitern, die Bedeutung von interdisziplinärer Zusammenarbeit zu erkennen und Vorurteilen gegenüber anderen Berufsfeldern entgegenzuwirken.