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Wirtschaft
15.03.2022

«Stimmung bei St.Galler Unternehmen solide»

Caroline Hilb Paraskevopoulos und Beat Schiffhauer analysierten die gegenwärtige finanzpolitische und wirtschaftliche Situation
Caroline Hilb Paraskevopoulos und Beat Schiffhauer analysierten die gegenwärtige finanzpolitische und wirtschaftliche Situation Bild: SGKB/Screenshot
Das Konjunktur-und Industrieforum «Horizonte» der St.Galler Kantonalbank wurde für einmal noch digital durchgeführt. Analysten der Bank erklärten die aktuellen Konjunkturdaten und -erwartungen. Und Regierungsrat Beat Tinner erläuterte die Massnahmen des Kantons.

Das Thema des Angriffskrieges von Russland in der Ukraine und deren Folgen dominierten natürlich die Vorträge und Diskussionen beim Konjunktur-und Industrieforum «Horizonte» der St.Galler Kantonalbank, das am frühen Abend digital unter dem Titel «Konjunktur – Standortbestimmung und Ausblick 2022» stattgefunden hat.

Gewaltige wirtschaftliche Auswirkungen

Caroline Hilb Paraskevopoulos, Leiterin Anlagestrategie und –analyse bei der SGKB schilderte in ihrem Eingangsvortrag die gewaltigen wirtschaftlichen Auswirkungen der gegen Russland verhängten Sanktionen. So wurde der Zahlungsverkehr mit vielen Banken komplett eingestellt. Viele Tech-Konzerne wie youtube, facebook, tiktok, Twitter und Instagram haben sich mehr oder weniger freiwillig aus dem russischen Markt zurückgezogen. Wirklich freiwillig sind viele Westfirmen wie Ikea, McDonalds, PayPal, Apple oder Netflix diesem Beispiel gefolgt.

Der Rückzug von Mastercard und Visa wie die Blockade vieler russischen Banken haben zu langen Schlangen an den russischen Bankomaten geführt. Aber wie wirkt sich dieser Krieg und die Sanktionen auf die Ostschweizer Wirtschaft aus? Erste sichtbare Auswirkung: die Energiepreise haben stark angezogen und erzeugen einen entsprechenden Inflationsdruck. «Die derzeit zu beobachtenden Preisschwankungen sind absolut unüblich und unglaublich. Die Versorgungslage ist unsicher. Dennoch ist sehr viel Spekulation in den Preisen enthalten, denn die Lager sind alle noch gut gefüllt», so Caroline Hilb Paraskevopoulos.

Bei Unsicherheit der Märkte aufgewertet

Die Analystin sah in ihren Ausführungen die Inflation und die Produzentenpreise steigen. «Wobei aber der Euro-Franken-Kurs für die Schweiz in Sachen Inflation ein Helfer ist». Denn der «starke» Franken werde immer bei Unsicherheit der Märkte aufgewertet und halte dann die Inflation tief. Erstmals bei Erreichen der Euro-Franken-Parität habe die SNB dieses Mal keine Massnahmen ergriffen. Weil der Franken gegenüber dem Dollar nicht aufgewertet wurde, der Eurodruck zu hoch ist und Washington diese Woche noch die Zinswende einleite.

Regierungsrat Beat Tinner mit René Walser (li) und Moderatorin Sabine Bianchi Bild: SGKB/Screenshot

Zusammenfassend erläuterte Caroline Hilb Paraskevopoulos, dass sie trotz der Krisen positive Aspekte für die Schweizer Wirtschaft sehe: Gute Konjunkturaussichten, eine stimulierende Geldpolitik und vielleicht eine Verhandlungslösung für den Ukrainekonflikt.

Stimmung immer noch solide

Beat Schiffhauer, Konjunktur- und Finanzexperte der Kantonalbank erachtet die Stimmung in den St.Galler Unternehmen immer noch als solide. Trotz der Folgen der Sanktionen, trotz gestiegener Energiekosten, den Lieferschwierigkeiten, den eingeschränkten Exportmöglichkeiten und dem eingeschränkten Zahlungsverkehr mit Russland. Denn nach wie vor sei der Auftragsbestand in Industrie und Bau absolut zufriedenstellend, die Zinsen bleiben tief.

«Der Preisdruck verschärft sich aber schon seit Januar», so Beat Schiffhauer, «die Entwicklung wurde bereits im Januar erwartet. Die Industrie sieht höhere Preise voraus, der Bau sieht keine weitere Steigerungen. Aber eines zeigt sich: durch die Ukrainekrise wird die klassische Industrie und die Spitzenindustrie im Rheintal überproportional belastet.» Zum Beispiel durch Produktionseinstellungen bei den Autofirmen aufgrund der ausfallenden Lieferungen von Kabelbäumen aus der Ukraine.

Wobei sich der vor der Coronakrise bereits oft beklagte Arbeitskräftemangel weiter akzentuiere. Das Fazit des Konjunkturexperten: «Der Einfluss der Ukrainekrise ist zwar belastend, wird aber die konjunkturelle Entwicklung nicht abwürgen.»

Keine Wartefristen für Flüchtlinge

Regierungsrat Beat Tinner erläuterte im Gespräch mit dem Mitglied der Geschäftsleitung der SGKB René Walser, dass die Kantonsregierung in einem Schreiben an die SECO festgehalten habe, dass es für Flüchtlinge aus der Ukraine keine Wartefristen geben dürfe, sondern dass diese möglichst sofort arbeiten dürften. «Wir gehen davon aus, dass einzelne dieser Leute eine sehr gute Ausbildung haben und als Fachkräfte arbeiten können.» Ansonsten sei dem Fachkräftemangel am besten mit Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die eigenen Mitarbeiter zu begegnen. Ob typisch Rheintalerische Lösung mit Grenzgängern aus Vorarlberg auch in zwanzig Jahren noch tragfähig sei, sei noch nicht sicher sondern müsse sich erst weisen.

Für Beat Tinner ist das Gefährlichste an der Ukrainekrise die Unterbrechung von Lieferketten und das Inflationsrisiko. Und zu den Ausfällen in der weltweiten Getreideversorgung angesprochen sagte er, die steigenden Getreidepreise würden zweifellos zu spüren sein, aber die Schweizer Landwirte hätten schon in der Coronazeit bewiesen, dass sie in der Lage sind, die Bevölkerung zu versorgen.

Krise überschattet vor allem psychologisch

René Walser verlieh seiner Überzeugung Ausdruck, dass die Ukrainekrise vor allem psychologisch alles überschatte: «Bis vor wenigen Wochen war die Stimmung ausgezeichnet, es gab einen grossen Aufholeffekt. Die Unternehmer hatten und haben nach wie vor volle Auftragsbücher. Noch Anfang des Jahres war der Fachkräftemangel das grosse Problem.» Und Walser schloss sich den Worten seiner Vorredner an. Die aktuelle Krise werden die konjunkturelle Entwicklung nicht abwürgen.

rheintal24/gmh/uh/stgallen24
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