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Stadt St.Gallen
20.02.2022
21.02.2022 08:40 Uhr

Fasnachtskrimi: Zaubertrank

Bild: pexels
Der St.Galler Autor Théo Buff präsentiert regelmässig Lese-Häppchen aus seiner Trilogie «Mord in Sankt Gallen und andere Geschichten». Heute folgt der sechste Teil von «Zwischenwelten. Unheil im Westen».

Im Krimi Zwischenwelten, dem dritten der Trilogie «Mord in St.Gallen», geht es unter anderem um die Fasnacht, um die mysteriösen Raunächte zu Beginn des Jahres, aber natürlich auch um Mord und Totschlag. Und andere spannende und eindrückliche «St.Galler Gschichten». Da und dort schimmert auch Corona durch. Dezent nur. In dieser Folge und gleichsam als Einstieg steht nun also die 5. Jahreszeit, wie die Fasnacht ebenfalls genannt wird, im Vordergrund, Kommissar Häfeli schwelgt in Erinnerungen an den früheren Mohrenball im Hotel Ekkehard, dem Highlight der St.Galler Fasnachtsbälle. Diese Jahr läuft die Fasnacht wieder auf Sparflamme, und nicht nur die Guggen machen sich Sorgen um ihren Bestand.

Was bisher geschah: Siehe Folge 5

Folge 6: Zaubertrank

«Die Sterbehilfeorganisation Lifestoppnow hat ihr Büro an der Paradiesstrasse. Ich bin gespannt auf diesen Laden und den Honigmacher – der spielt sich doch immer als Chef-Akquisiteur auf.»

«Honigmeier, heisst der Chef», korrigierte Kommissar Häfeli. Inzwischen standen sie vor einem älteren Mietshaus mit Ladenlokal im Parterre, früher mal eine Metzgerei, ein Coiffeur oder ein Kolonial­warengeschäft? Am Eingang prangte ein protziges Messingschild:

Himmel oder Hölle? Wir sorgen für Sie, jederzeit. Nachhaltig. Diskret. Schmerzfrei verreisen, vertrauen Sie uns!

Funeral-Equipments and Gags. Günstig.

Die beiden Polizisten traten ein, grüssten kurz und schauten sich um. In einer düsteren Ecke sass wie eine Spinne im Netz ein korpulenter Mann mittleren Alters, mit nachgefärbter Haar­pracht, ursprünglich wohl gelbbraun, nun mit kräftigem Rotstich. Die Spinne stand auf und stellte sich vor: «Honigmeier, Vitus, Geschäftsführer und Besitzer dieser wohltätigen Institution. Über alle Zweifel hinweg serös. Und professionell. Treten Sie näher, ungeniert. Willkomm. Und fühlen Sie sich wie im Paradies, nicht wahr.»

Die Rechtsmedizinerin hatte nicht zu viel versprochen; die hat wieder mal recht, absolut, brummte Häfeli leise vor sich hin. En grusige Siech, schmierig und widerlich!

«Bitte? Haben Sie etwas gesagt, pardon, ich habe nicht verstanden. »Honigmeier rieb sich geschäftig die Hände. Was kann ich für Sie tun, geht es um Sie beide, äh …, gemeinsam?» Wollen Sie sich wirklich schon verabschieden?»

«Wir sind ja gerade erst gekommen», antwortete Kraienbühl.

«Ja schon, aber … Also nehmen Sie Platz, ich berate Sie gerne in allen Fragen des Abschiednehmens, ein heikles Thema; hier ist unsere farbige Broschüre, mit allen Details, inkl. Angabe der Entsorgungsgebühren, die dürfen Sie mitnehmen. Gratis. Wir haben hier umwerfende Angebote, nicht bloss Kremation oder Erdbestattung. Wir decken das gesamte Vorfeld ab und sind spezialisiert auf Hochglanz. Sie sehen, massgeschneiderte Lösungen sind unsere Passion. Auch im Nachhinein und im Mondschein noch möglich. Medial – eine unserer Nouveautés. Oder Sterben in Schönheit, darauf legen wir grössten Wert.» Honigmeier machte eine Pause. Wohltuend.

«Im Moment haben wir gerade ein tolles Sonderangebot, ein Ausflug mit Tante Ju oder einer Alouette 1001, ein Militärhelikopter älterer Bauart, aber immer noch todsicher, zum Aus­streuen der Asche, zum Beispiel über der Kathedrale. Oder sind sie reformiert?» Honigmeier nahm einen Schluck Wasser, das er sich aus einer kitschig goldverzierten Karaffe theatralisch eingeschenkt hatte, ohne seinen Gästen etwas anzubieten.

«Die Säntisbahn wollen Sie nicht, ich verstehe. Sehen Sie, wir machen fast alles möglich, auch alte Träume, wir haben noch manche Trümpfe im Jackett. Das ist so …

Wir können alles organisieren. Kein Problem. Zum Beispiel Tiefgefrieren und Häckseln, der Natur etwas zurückgeben, zum Beispiel als ….»

«Oh … Hören Sie auf, wir wollten das gar nicht so genau wissen, und sind noch nicht soweit. Was uns interessiert sind die technischen Fragen: welchen Zaubertrank bieten Sie uns an, wie funktioniert das alles, Auflagen, Fristen, Risiken usw.? Wir denken an den Amtsarzt und die Polizei?»

«Zaubertrank? Ich verstehe nicht ganz, sind Sie Trinker, also äh … Alkoholiker? Aber wie gesagt, bei uns ist das alles kein Problem», sagte Honigmeier salbungsvoll. Machen wir uns im Leben, beim Leben schon zu viele Sorgen, so nicht auch noch beim Abheben, äh … Ableben.» Und zu Kraienbühl gewandt: «Ihr Vater ist noch nicht ganz so weit, obwohl, erste Abzeichen, oh pardon, Anzeichen vorhanden sind. Leider. Ich schlage vor, Sie studieren zuerst gemeinsam unsere Dokumentation, dort finden Sie alles, in Hochglanz, und melden sich wieder bei Bedarf. Unverbindlich oder mit Checkbuch, ganz wie Sie wollen. Wir schenken Ihnen unsere Zeit. Im Notfall sind wir schnell zur Stelle. An Ihrer Seite.»

«Er ist nicht mein Vater!» Kraienbühl nickte nachsichtig, hatte jedoch plötzlich wieder einen seiner oft treffenden Einfälle und zog das Foto mit der Leiche aus dem Wasserturm hervor: «Und das, haben Sie das ebenfalls im Sortiment?»

Honigmeier begutachtete das Foto gleichermassen interessiert wie überrascht. «Verstehe ich Sie richtig …? Etwas auffällig, und brachial, mit dem Messer, wie mir scheint, nicht? Klar, wir sind für Endzeitlösungen zuständig, aber doch nicht so. Mord und Totschlag führen wir nicht im Programm, tut mir leid. Aber warten Sie, geben Sie mir etwas Zeit.» Honigmeier rieb sich immer noch die Hände und überlegte.

«Brauchen Sie eine Handcreme, oder ein Desinfektionsmittel?» Der Kommissar gönnte sich diese Provokation.

«Danke nein, davon haben wir hier genug», antwortete Honigmeier. «Und nochmals: Nein, das haben wir nicht, tun wir nicht, aber … Den Mann kenne ich, das ist Wermuth Wohlgemuth, ein Trinker. Ich musste ihn kürzlich entlassen. Es wurde zu viel. Er trank zu viel, bei jeder Gelegenheit, auch beim Abholen der Leichen, rülpste und furzte im dümmsten Moment, hatte einfach keinen Stil. Untauglich. Sie können sich vorstellen, wie das vor allem bei unseren hochverehrten Kundinnen ankommt…» Honigmeier machte eine Pause.

«Wir haben derzeit enorm viel zu tun, ein Lapsus liegt da gar nicht drin. Hochkonjunktur. Ich musste bereits zusätzliches Personal einstellen. Homeoffice können wir allerdings nicht anbieten. Bei uns ist zupacken gefragt, Sie verstehen. Psychologie. Empathie. Feinheiten in der Ausdrucksweise. Weisheit und Weisheiten, das ist plötzlich wieder enorm en vogue.»

«Bitte geben sie uns Wohlgemuths Personalakte!» Häfelis Gesicht rötete sich verdächtig.

«Wieso und wozu? Das brauchen wir hier nicht, wir legen grössten Wert auf Datenschutz. Überwachungsstaat! Zustände sind das. Aber die Adresse, die kann ich Ihnen gerne und problemlos überreichen.» Honigmeier konsultierte seinen Computer und hielt Kraienbühl einen Zettel hin.

«Wir sprechen uns noch, da sind wir uns sicher. Vielleicht in der Hölle? Auf Wiedersehen!» Die Ladentüre liessen sie offen, sperrangelweit, und machten sich auf den Rückweg. Schweigend. Zum Café Scherrer in der Altstadt. Eisiger Wind pfiff ihnen um die Ohren. Und Honigmeier durchs Büro, der die Türe verärgert abschloss: «Tsss, was es heute nicht alles gibt!» Dabei blickte er seiner Sekretärin, Leichenwäscherin, Floristin und so weiter, alles in einer Person, ins freizügig einladende Decolleté.

«Hast du Ärger Darling?» säuselte die Frau mit den vielen Einsatzmöglichkeiten und setze sich ihrem Chef auf die Knie. Ungefragt und rittlings.

Am nächsten Sonntag geht’s weiter!

 

Autor Théo Buff Bild: zVg

Über den Autor

Geschichtenerzähler. Original. Verwirrspieler. Philosoph. Historiker. Märchenfreund. Bücherwurm. Reisender. Lebenskünstler. Geniesser. Liebt Wortkreationen und Spiele. Üppig und opulent. Scharfzüngig. Mit Schalk.

Lic. phil. hist., Universität Bern. Bürger von Speicher AR. Geboren am 10. Mai 1956 in Sankt Gallen und dort aufgewachsen. Hier beschult, ohne echte Begeisterung. Aber sorgfältig und zuverlässig. Lebensschulen: zwei Berufslehren, Militär, Zweitwegmatura. Studierte in Bern und Sevilla Neuere Geschichte, Staatsrecht, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte/Politologie, und Soziologie und Sozialpsychologie.

Lehrbeauftragter Allgemeinbildende Fächer am GBS Sankt Gallen. Herzblut-Journalist beim St.Galler Tagblatt.

Meist linke Hand des Bauvorstands der Stadt Sankt Gallen (Bausekretär-Stellvertreter). Engagierter Hofnarr, auch dazu braucht’s Galgenhumor. Und nicht zu knapp. Mentor und Autor verschiedener Publikationen über seine Stadt. Heute im Unruhezustand. Aber weiterhin fröhlich. Und auf den Krimi gekommen.

Die Trilogie Mord in Sankt Gallen und andere Geschichten ist im Buchhandel oder direkt beim Autoren (theo.buff@bluewin.ch) erhältlich.. Mehr auch unter www.theobuff.ch

Théo Buff, Autor
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