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Stadt St.Gallen
12.02.2022
11.02.2022 20:25 Uhr

Mundart-Kolumne «Hopp Sanggale!»

Bild: pd
Susan Osterwalder-Brändle erforschte während Jahren den St.Galler Dialekt. Mit «Hopp Sanggale!» entstand ein Werk mit rund 3000 Mundartbegriffen und Redensarten, die zum Teil schon in Vergessenheit geraten sind. Auf stgallen24 leben sie wieder auf. Heute: «Chrömele».

Chrömele bedeutet sich etwas kleines Süsses, etc., kaufen

Erinnern sie sich noch an ihre eigene Kindheit, in der das Chrömele im Dorfladen, am Bahnhofs-Kiosk oder im Spezereilädeli um die Ecke zum Kinderalltag gehörte und es kaum etwas Schöneres gab zwischen Schule und Ufzgi? Wir hatten einen kleinen Kiosk und eine alte Bäckerei im Dorf - eigentliche Chrömeli-Paradiese! Da gab es alles, was ein Kinderherz begehrte. Zum Beispiel die dicken, süssen „Föferbölle“, die sage und schreibe für lediglich fünf Rappen zu haben waren und die wir uns in Backen und Schürzentaschen steckten. Dafür reichte das schmale Sackgeld immer, auch wenn Ebbe im Sparschwein angesagt war.

Beim Eintritt ins Jugendalter hiessen sie bei mir allerdings bald „Zehnerbölle.“ Es lockten die guten alten Sugus, die Tiki Brause, Schleckmuscheln oder die Carambar Karamell-Stengeli, die furchtbar hartnäckig an den ersten neuen Zähnen nach dem Milchgebiss klebten. Grosser Beliebtheit erfreuten sich zudem die Kaugummi-Kugeln aus dem Automaten und die Cola-Fröschli, von denen man jedes Mal eine „offene“ Zunge bekam. Ich möchte nicht wissen, was da alles drin war. Gott, was waren das für Leckereien!

Am innigsten liebte ich die PEZ-Figurenspender, mit diesen schrecklich süss-sauren Sprudeltabletten. Ich besass sie alle – von Donald Duck bis Goofy. Mit der Zeit wechselte ich dann zu den rosaroten Kaugummi-Zigaretten, die sich an Klebrigkeit mit den Carambar-Stengeli durchaus messen konnten, aber wesentlich schicker aussahen. Apropos Klebrigkeit: Auch die BRAVO gabs am Kiosk zu kaufen. Allerdings durfte man das zu Hause nicht wissen. Von wegen „Dr. Sommer“ und so...

Schon der Nachhauseweg war daher ein Spiessrutenlauf. Die Bäckersfrau von schräg vis à vis strafte mit ausgesprochen bösem Blick, wenn ihre Argusaugen einen jugendlichen Kunden beim Verlassen des Kiosks mit der BRAVO unter dem Arm erspähte. Die Angst war immer gegenwärtig, die alte Spiesserin könnte irgendwann doch petzen. Es war aus dem gleichen Grund empfehlenswert, mit der angesagten Jugendlektüre nicht einem der konservativen Lehrer unterwegs zu begegnen.

Neben abenteuerlich Verbotenem und Zuckersüssem, war der Genuss jedenfalls garantiert, wie auch die Tatsache, dass wir damals wohl mit kleinem Sackgeld die grössere Lust beim Chrömele verspürten, als die heutigen Jugendlichen, die über Föferbölle nur noch müde lächeln können.

Den Begriff chrömele der von Chrömer aus dem Alemannischen stammt, muss ich also bestimmt nicht mehr gross etymologisch erklären. Vielleicht sind aber noch ähnliche Begriffe erwähnenswert, die ebenfalls aus der St.Galler Alltagssprache von heute verschwunden sind. Die da wären: Chrömli (Keks, Guetsli), Chrömerlade (Dorfladen), Chrömerlädeli (Miniatur Spielzeug-Dorfladen, mit bezauberndem Inhalt, über den es allein eine Kolumne zu verfassen gäbe...), Chrömer (Händler, jemand der gerne mit Kleinwaren „händelet“, Hausierer, etc.).

Zum Glück gibt es noch heute ganz wenige Orte, die den alten Begriff aufrecht halten. So zum Beispiel in der historischen Altstadt von Bern, wo man tatsächlich in der Kramgasse noch herrlich und nach Herzenslust (wenn auch auf berndeutsch) kömmerle und komissiöönle kann.

Auch im Dorf Appenzell findet sich noch der Blacke-Chrömer, ein kleines aber feines, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Spezereilädeli.

Also, auf zum Chrömele und vielleicht entdecken sie ja die eine oder andere Retro-Süssigkeit, die ihnen ein verträumtes Lächeln ins Gesicht zaubert!

 

 

Susan Osterwalder-Brändle, stgallen24-Kolumnistin
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