Pierin Vincenz war einst eine der schillerndsten Figuren der Schweizer Bankbranche. Nur zu gerne zeigte er sich als bodenständiger Vorzeigegenossenschaftler, der nicht müde wurde, die Millionensaläre seiner Berufskollegen zu kritisieren.
Wieviel Lohn Vincenz sich selbst als Raiffeisenpatron ausbezahlen liess, war Langezeit ein gutgehütetes Geheimnis. Bis die Zürcher Staatsanwaltschaft 2019 von Raiffeisen Schweiz die Offenlegung zu Vincenz Lohndaten verlangte: Allein 2008 wurde dem Bündner ein Nettolohn von über 13,75 Millionen Franken ausbezahlt.
Doch wie konnte der Chef einer Genossenschaft einen solch horrenden Jahreslohn beziehen, ohne dass dies ans Licht kam? Eine Schlüsselfigur bei diesem Mysterium könnte der St. Galler Anwalt Eugen Mätzler sein. Ein Grossteil des Vincenz-Salärs lief jahrelang über ein externes Konto – jenes von Eugen Mätzler.
Ausgeklügeltes Lohnzahlungssystem
Rückblende: 1996 wird Vincenz Finanzchef bei Raiffeisen Schweiz. Sein damaliges Salär soll rund 200 000 Franken betragen haben. 1999 folgt die Beförderung zum CEO. Bereits im Januar 2000 arbeiten der damalige Präsident Marius Cottier und Vincenz einen Vertrag aus, der das Vergütungssystem der Bank neu organisiert.
Federführender Anwalt ist in dieser Angelegenheit Eugen Mätzler. Der ehemalige St. Galler Profifussballer und Delegierter der Schweizer Fussballnationalmannschaft ist ein guter Bekannter von Vincenz. Boni und Pensionskassenbeiträge für die Raiffeisen-Geschäftsleitung liefen von 2000 bis 2008 über sein Büro sowie über ein Treuhandkonto bei der UBS.
Ab 2001 erhielt die Raiffeisen-Geschäftsleitung ihr Salär über zwei Kanäle: Der kleinere Teil, im Fall von Vincenz maximal 400 000 Franken, überweis jeweils die Personalabteilung der Bank direkt auf die jeweiligen Lohnkonten. Der Löwenanteil an Lohn, Boni und Pensionskassengeldern transferierte aber Mätzlers Büro «Schwager, Mätzler, Schneider».
Millionenschwerer Lohnausweis «vergessen»
In einem Interview mit dem St. Galler Tagblatt betonte Mätzler er habe «nichts Unrechtmässiges» getan. Er verstehe «sehr wohl», dass seine «Rolle im Zusammenhang mit den Turbulenzen um Raiffeisen angeschaut» werde, doch sei er nicht Teil der Strafuntersuchung. Er sei lediglich 2019 von der Staatsanwaltschaft als Zeuge einvernommen worden. Per Definition ist ein Zeuge laut Artikel 162 der Strafprozessordnung «eine an der Begehung einer Straftat nicht beteiligte Person, die der Aufklärung dienende Aussagen machen kann und nicht Auskunftsperson ist.»
Delikat: Ausgerechnet der Lohnausweis des Jahres 2008 fehlte, als auf Geheiss der Staatsanwaltschaft von Raiffeisen die Unterlagen beim Büro «Schwager, Mätzler, Schneider» angefordert wurden – angeblich «aus Versehen». Das Papier wurde nachgereicht und belegt, dass Vincenz in besagtem Jahr gleich viermal einen Bonus erhielt. Worin seine ausserordentlichen Leistungen lagen, die eine Gesamtlohnsumme von über 13,75 Millionen Franken rechtfertigt, wird nicht dargelegt.