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Kanton
20.01.2022
20.01.2022 14:24 Uhr

Kantonsgericht-Entscheid: Mildere Strafe für Mörder

(Symbolbild)
(Symbolbild) Bild: pixabay
2016 wurde ein 62-jähriger Schweizer in Lichtensteig erstochen. Der Täter, ein 44-jähriger Niederländer, wurde vom Kreisgericht wegen Mordes verurteilt und verlangte eine mildere Strafe. Das Kantonsgericht hat die Strafe nun aufgehoben und neu angesetzt.

Das Kantonsgericht St.Gallen hat am 19. Januar im Fall Lichtensteig (ST.2021.84-SK3) die Verurteilung des Beschuldigten wegen Mordes bestätigt. Allerdings war der Täter entgegen der Ansicht des Kreisgerichts mittelgradig vermindert schuldfähig. Wie vom Gesetz vorgesehen hat die Strafkammer die Freiheitsstrafe deshalb auf 10 Jahre reduziert.

Aus Sex-Beziehung wurde Mord

Gemäss Anklage der Staatsanwaltschaft soll der Beschuldigte in der Nacht vom 2. auf den 3. Mai 2016 in Lichtensteig einen Mann ermordet und beraubt haben. Täter und Opfer hatten sich über eine Internetplattform kennengelernt und sich in Thailand getroffen. Bei ihrer Bekanntschaft sei es einzig um Sex gegangen, hiess es am Prozess vor Kreisgericht. Auf Einladung des Schweizers war der Niederländer später in die Schweiz gereist. Er sei sich bewusst gewesen, dass er sexuelle Dienstleistungen zu erfüllen habe, sagte der Beschuldigte.

Zur Tat sei es gekommen, weil er die von ihm verlangten sexuellen Praktiken nicht mehr ausgehalten habe. Mit einem Messer tötete er den Schweizer. Mit rund 8500 Franken flüchtete er aus der Wohnung und flog nach Thailand. Dort wurde er später festgenommen.

Auf Totschlag plädiert

Das Kreisgericht Toggenburg verurteilte den Beschuldigten mit Entscheid vom 18. Juni 2020 wegen Mordes sowie Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren und einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen à Fr. 10.00. In seinem Entscheid hielt das Kreisgericht fest, das psychiatrische Gutachten über den Beschuldigten sei nicht mit der notwendigen Objektivität sowie Distanz erstellt worden.

Die von der Verteidigung beantragte Neubegutachtung lehnte das Kreisgericht dennoch ab, weil es keine Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beschuldigten hegte. Gegen diesen Entscheid erhob der Beschuldigte Berufung und verlangte im Hauptpunkt einen Schuldspruch wegen Totschlags anstatt wegen Mordes sowie die Reduktion der Freiheitsstrafe auf maximal 36 Monate; überdies wiederholte die Verteidigung den Antrag auf erneute psychiatrische Begutachtung. Die Staatsanwaltschaft forderte die Bestätigung des Schuldspruches wegen Mordes und zusätzlich mittels Anschlussberufung die Erhöhung der Freiheitsstrafe auf 14 Jahre und 2 Monate.

10 statt 14 Jahre Freiheitsstrafe

Die Strafkammer des Kantonsgerichts hat den Entscheid des Kreisgerichts nun in Bezug auf die Verurteilung wegen Mordes bestätigt, jedoch bezüglich der Strafe aufgehoben.

Anders als das Kreisgericht erachtet es die Strafkammer nach eingehender und sorgfältiger Würdigung sämtlicher Beweise als erstellt, dass der labile Beschuldigte auf Geheiss des Opfers erniedrigende sexuelle Handlungen vornehmen und überdies sogenannte «Poppers» konsumieren musste. Dennoch kann in rechtlicher Hinsicht nicht gesagt werden, dass der Beschuldigte deswegen in einer entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung gehandelt hätte und deshalb nur wegen Totschlags zu verurteilen wäre.

Vielmehr ist insbesondere die Art der Ausführung der Tötung als besonders verwerflich zu qualifizieren. Entsprechend ist die kreisgerichtliche Verurteilung des Beschuldigten wegen Mordes zu bestätigen.

Neues Gutachten erstellt

Anders als das Kreisgericht hatte die Strafkammer demgegenüber ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Schuldfähigkeit des Beschuldigten. Die Strafkammer ordnete deshalb mit Zustimmung von Verteidigung und Staatsanwaltschaft ein neues psychiatrisches Gutachten an. Dieses gelangte nachvollziehbar und überzeugend zum Schluss, dass der Beschuldigte im Tatzeitpunkt mittelgradig vermindert schuldfähig war. Diese sachverständige Beurteilung ist für die Strafkammer bindend und hat von Gesetzes wegen eine erhebliche Strafmilderung zur Folge. In Würdigung der verminderten Schuldfähigkeit erscheint eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren angemessen.

Schliesslich hat die Strafkammer den Beschuldigten verpflichtet, den Töchtern des Opfers Fr. 30'000.00 respektive Fr. 35'000.00 Genugtuung zu bezahlen. Überdies hat der Beschuldigte für die entstandenen Verfahrenskosten in der Höhe von über Fr. 150'000.00 aufzukommen.

mik/stgallen24
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