Liebe Nachbarinnen und Nachbarn
Seit 30. Oktober 2021 ist mein Haus wieder etwas belebter. Ich beherberge zwei junge Flüchtlinge, die in der Schweiz Fuss fassen wollen. Sie heissen Najiib und Sajjad und stammen aus Somalia und aus Afghanistan. Aktuell gehen sie zur Schule, und nächstes Jahr wollen sie eine Lehre beginnen. Beide geben ihr Bestes für eine gute Integration. Ich bin überzeugt, dass ihnen dies gelingen wird. Sajjad und Najiib wünschen sich Kontakt mit Schweizerinnen und Schweizern. Man kann sich gut mit ihnen auf Deutsch unterhalten. Ich möchte euch deshalb einladen, sie anzusprechen und vielleicht auch einmal etwas abzumachen. Solche Kontakte können für beide Seiten sehr bereichernd sein. Ich danke euch für die gute Aufnahme von Najiib und Sajjad bei uns und wünsche euch eine gute Zeit.
Herzliche Grüsse, Niklaus
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An der Türe empfängt mich ein dunkelgelockter junger Mann und führt mich in den hellen Anbau mit Küche und Esszimmer und Blick auf den Garten. Auf dem grossen Tisch warten Tee und ein paar Naschereien auf den Gast. Und daneben Niklaus Rütsche, der seine WG kurz vorstellt und erzählt, wie es dazu kam.
«Wir sind alle gleich»
Zuerst erklärt er mir, mit Unterstützung seiner beiden WG-Gspänli, wie diese WG funktioniert. Wobei er grad mal klarstellt: «Wir sind alle gleichwertig.» Niklaus Rütsche ist diese Feststellung besonders wichtig, und er wiederholt seine Kernbotschaft auch vor seinen Kollegen wohl nicht zum ersten Mal – und um sie verständlich rüberzubringen, mit Unterstützung seiner Hände: «Ich bin nicht wichtiger oder besser, weil ich hier der Eigentümer und formell der Vermieter bin, wir sind alle gleich, und alle haben die gleichen Rechte und Pflichten.»
Das wirkt sich ganz konkret auf den Alltag aus: Jeweils am Mittwochabend treffen sich die drei Männer zum Nachtessen, das jede Woche von einem der drei zubereitet wird. Die andern beiden räumen nachher auf. Wer kocht, ist in jener Woche auch für die diversen Ämtli zuständig. Für das Putzen der gemeinsamen Räume, für den Geschirrspüler, für Abfallentsorgung, das Schneeräumen … und einmal pro Woche, eben vor der Sitzung, das Kochen. Etwas aussergewöhnlich sei wohl die Lösung, dass jemand eine ganze Woche für alles zuständig ist: Seine WG-Kollegen hätten das so gewünscht, damit sie zwischendurch auch wieder mal zwei Wochen frei hätten, erzählt der Oberhofstetter schmunzelnd.
Beim wöchentlichen Nachtessen wird auch besprochen, welche gemeinsamen Werte wichtig sind. «Das Wichtigste, und das haben wir gemeinsam herausgefunden, ist das gegenseitige Vertrauen. Ohne das würde es nicht funktionieren.»
Nach gut einem Monat zieht Niklaus eine positive Bilanz – und wiederholt das auch nochmals gestenreich vor dem Besuch: «Ihr seid für mich eine grosse Bereicherung, ihr gebt mir viel! Ich bin sehr beeindruckt, wie gut ihr euch eingelebt habt, dass ihr eure Meinung vertretet, dass ihr euch interessiert für das Leben hier und wir respektvoll und friedlich zusammenleben können.»
Rasch integriert
Beeindruckend ist auch, wie gut sich Najiib und Sajjad bereits auf Deutsch untereinander und mit dem Besucher verständigen können. Beide besuchen seit zwei Jahren den Deutschunterricht und haben rasch Fortschritte gemacht. Jede Woche absolvieren sie einen Schnuppertag bei einer Firma. Ziel ist, dass sie nächsten Sommer mit der Lehre anfangen können.