Chläuse am Weihnachtsmarkt.
Du, vorhin hat unser Eventmanager angerufen, der Bischof-Staubler, auf dem Weihnachtsmarkt treibe sich eine sonderbare Gestalt herum, verkleidet wie ein Schmutzli ohne Samichlaus, oder wie ein Mönch. Bart, braunes Kleid, Baskenberet. Vermutlich ein verkleideter Dieb, meint der Bischof. Komm, wir schauen uns das rasch an, auf dem Gallusplatz beginnen wir.»
Kraienbühl seufzte. «Muss das jetzt wieder sein, wir wollten doch nach Hause. Nach Hauuuse!»
Tatsächlich. Rasch entdeckten sie die beschriebene Gestalt am Weihnachtsmarkt, die relativ unauffällig in der Menschenmenge herumschlich. Ein Mann. Offenbar war er vor allem hinter Frauen mit Kindern und riesig ausladenden (einladenden?) Taschen her, manchmal «berücksichtigte» er aber auch Männer. Für die beiden Polizisten sah es so aus, als ob er den Weihnachtsmarktbesuchern in die Tragtaschen greifen wollte, um etwas herauszunehmen. Immer wieder verschwand seine Hand im Jutesack und in fremden Taschen.
«Ein Samichlaus-Taschendieb am Weihnachtsmarkt, offensichtlich; das hatten wir bisher noch nicht im Sortiment. Den schnappen wir uns, sofort», raunte Kraienbühl. «Ich mache zuvor noch rasch einige Fotos. Also los.»
Die beiden Polizisten folgten dem Unbekannten diskret, näherten sich ihm dann, hielten ihm ihre Ausweise unter die Nase, Kraienbühl bereit, den Mann zu packen, falls dieser flüchten wollte.
«Grüezi. Stadtpolizei. Folgen Sie uns unauffällig. Eine Flucht ist zwecklos.» Anstandslos begleitete der alte Mann die Polizisten in Zivil zu einer weniger belebten Ecke des Platzes, direkt bei der Kathedrale.
«Können Sie sich ausweisen?»
Mit einem leichten Schmunzeln zog der Schmutzlichlaus seine Identitätskarte hervor. Wortlos.
«Sie greifen den Menschen in die Einkaufstaschen, stehlen ihre Weihnachtseinkäufe – das sehen wir schon richtig, oder? Wir haben Fotos gemacht, auf frischer Tat …»
«Das sehen Sie richtig, meine Herren, ich greife den Leuten in die Taschen, aber nicht wie andere, und was so üblich ist, heutzutage. Ich lege Ihnen etwas in ihre Taschen hinein. Ich überrasche die Menschen, niemand erwartet das, und zu Hause wundern sie sich, von wem sie das kleine Geschenk bekommen haben, und finden es nicht heraus – das ist Weihnachten: Geheimnis. Neugierde. Schenken. Freude bereiten. Kennen Sie das nicht?» Der alte Mann machte eine Pause, sichtlich durchfroren, hustete.
«Aber ich bin kein Dieb. Schauen Sie mal in meinen Sack hinein, was ich da alles habe, ungeniert …» Die Augen des alten Mannes leuchteten.
Die Polizisten kamen sich plötzlich winzig und klein vor.
«Kraienbühl, bitte!» Häfeli war die Sache schon längst peinlich geworden. Und tatsächlich: Im Jutesack befanden sich kleine, herzige Geschenke, verschiedene farbig bemalte Tannzapfen mit Schokolade behängt. Schokoladeherzen mit der Aufschrift «Frohes Fest». Kleine Kerzen, ebenfalls mit Schokolade. Selbst gebackene Guetzli, hübsch verpackt.
Farbig.
Fröhlich.
«Oh …», sagte Häfeli, «das tut uns leid! Äh … So schöne Geschenke!
Wir entschuldigen uns.»
«Schon gut. Möchten Sie nicht eines meiner kleinen Geschenke mit nach Hause nehmen, für Ihre Frau oder die Kinder?», fragte der alte Mann. «Bitteschön! Greifen Sie zu.»
«Danke, danke. Zu lieb! Das wäre für uns nun keine Überraschung mehr, Sie haben uns schon genug überrascht. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Freude beim Überraschen der Weihnachts-Chrömler ...
Auf Wiedersehen, und gesegnete Weihnachten!»