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Kanton
15.12.2021
15.12.2021 18:26 Uhr

Happige Vorwürfe gegen St.Galler Asylzentrum

Blick auf das Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg über eine Sichtschutzwand hinweg. Bewohner klagen über mangelnde Selbstbestimmung.
Blick auf das Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg über eine Sichtschutzwand hinweg. Bewohner klagen über mangelnde Selbstbestimmung. Bild: KEYSTONE/GIAN EHRENZELLER
Als menschenunwürdig und zynisch bezeichnet die SP St.Gallen die nationale und kantonle Asylpolitik. Auslöser dafür ist ein Bericht vom «Migrant Solidarity Network» über Asylsuchende, die im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg in Vilters untergebracht sind.

Am 2. Dezember veröffentlichte das Migrant Solidarity Network (MSN) einen anonymen Bericht von Asylsuchenden, die im Ausreise- und Nothilfezentrum Sonnenberg in Vilters im Kanton St.Gallen untergebracht sind.

Die darin geschilderten Zustände im Zentrum würden grundlegende Probleme im nationalen und kantonalen Asylwesen verdeutlichen: Die Menschen im Zentrum würden kein Geld, sondern nur Sachabgaben erhalten. Ihr Essen werde zu fixen Zeiten geliefert, ausserhalb davon gebe es keine Möglichkeiten zum Selberkochen und keinen Zugang zu Lebensmitteln, was besonders für Familien mit Kindern belastend sei, schreibt die St.Galler SP-Präsidentin Andrea Scheck in einem Blogbeitrag.

Für die untergebrachten Menschen fehle jegliche Möglichkeit, über sich selber oder ihre Umstände zu bestimmen, teilweise über eine sehr lange Zeit hinweg. Die Folgen seien nicht selten psychische Probleme, Depressionen, Schlafstörungen und Hoffnungslosigkeit.

«Praxis ist Schikane»

Für die SP sei die Situation exemplarisch für die Fehler des Schweizer Asylsystems als Ganzes: Die Nothilfestrukturen – wie das ANZ Sonnenberg – wurden ursprünglich für eine wenige Monate dauernde Vorbereitung der Ausreise konzipiert. Alle Regelungen seien darauf angelegt, die Lage für abgewiesene Asylsuchende möglichst unangenehm zu machen und sie gegen ihren Willen zur Ausreise zu bringen: Entzug der Sozialhilfe und Erbringung von Nothilfe in Sachleistungen, abgelegene Unterkunft mit wenig Kontakt zur Umwelt, enge Platzverhältnisse, kaum Perspektiven oder Möglichkeiten zur Selbstentfaltung.

«Aus Sicht der SP ist diese Praxis eine Schikane, die am Ende keinen Zweck erfüllt. In der Realität verbleiben Personen mit abgelehntem Asylentscheid oft viel länger als geplant in den Zentren. Denn auch wenn die Rückführung in ein anderes Land von Seiten des Staats als zumutbar eingeschätzt werde, sei für viele Asylsuchende klar, dass das Leben dort weder sicher wäre noch mehr Perspektiven bieten würde», heisst weiter.

Andrea Scheck (*1992) ist Präsidentin der SP im Kanton St.Gallen Bild: Facebook

Auch im ANZ Sonnenberg zeige sich das. Viele Asylsuchende würden mehrere Jahre dort untergebracht bleiben, darunter auch Familien mit Kindern, bei denen die Eltern die Ausreise ablehnen. Gemäss Antwort der Regierung auf eine Interpellation im Kantonsrat im Sommer 2021 sind im ANZ in Vilters zehn Familien mit insgesamt 18 Kindern untergebracht.

Keine normale Kindheit möglich

Die Familien sowie alleinstehende Frauen seien zwar auf einem separaten Stockwerk untergebracht, haben gesonderte Aufenthaltsräume und einen Spielplatz im Freien. Aber eine normale Kindheit sei im Zentrum keinesfalls möglich und auch der staatliche Auftrag, die Entwicklung der Kinder in grösstmöglichem Umfang zu fördern und den dafür erforderlichen Lebensstandard zu schaffen, werde weit verfehlt, finden die Sozialdemokraten.

Die unsinnige Abschreckungspolitik der Schweiz sei menschenunwürdig, zynisch und im Falle der Kinder speziell kurzsichtig. Die Erfahrung zeige, dass viele von ihnen früher oder später permanent in der Schweiz leben werden. Ihre Sozialisierung und Entwicklung, die in den Rahmenbedingungen der ANZ erschwert wird, sei darum unser aller Anliegen.

Die SP sieht den Bericht aus dem ANZ Sonnenberg für ein weiteres Zeichen für die verfehlten Vorgaben im Asylwesen, die zu menschenunwürdigen Situationen für Menschen auf der Flucht führen. «Wir fordern, dass der Kanton St.Gallen seinen ganzen Spielraum nutzt, um die Lage erträglicher zu machen! Zusätzlich fordern wir spezifisch ein Zentrum für Familien mit Kindern, welches ihnen einen normaleren Alltag ermöglicht, als das im abgelegenen ANZ Sonnenberg möglich ist», heisst es abschliessend im Blog der SP St.Gallen.

pez/pd
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