Elisabeth Weber und Hansruedi Felix sind Pfarrer der Kirchgemeinde St.Gallen Centrum. Als Seelsorger hören die beiden jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr den Menschen, die ihre Anliegen loswerden wollen, zu. Bis jetzt gibt es dieses Angebot nur in den Städten St.Gallen, Bern, Genf und Basel. Daher kommen Personen von überall her – sogar Touristen aus Deutschland.
Seelsorge: Was Zuhören bewirken kann
Jede Geschichte ist anders
Beim Seiteneingang der St.Laurenzenkirche befindet sich jeweils am Donnerstag die Fahne des Angebots. Tritt man herein, gelangt man den langen Gang, der in einen Seitenraum der Kirche führt. In diesem Raum hat jeder die Möglichkeit mit Seelsorgern über seine Anliegen zu sprechen. Dieses Angebot gibt es schon seit 15 Jahren. Früher hiess es «Gespräch mit dem Pfarrer» und vor mehreren Monaten gab es dann das Re-Launching: Gleiches Angebot mit dem neuem Namen «Ganz Ohr».
Wie der Pfarrer Hansruedi Felix sagt, unterschätzen die Menschen ihre Geschichten: «Manchmal kommen Leute und sagen, dass sie nichts Wichtiges haben, aber sie kommen einfach mal vorbei. Und dann kommen jeweils Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.» In der Ferienzeit seien auch schon Touristen vorbeigekommen und deponieren Sachen, die sie nicht zurück nach Hause nehmen möchten. Das Angebot während dem Abendverkauf in der St.Galler Innenstadt wird rege genutzt. Im Durchschnitt kommen eins bis drei Personen zu einem Gespräch.
Aber auch aus diversen Gemeinden reisen Menschen extra nach St.Gallen in die St.Laurenzenkirche für diese Gespräche. Meistens sind es Gespräche über Gott und die Welt und manchmal gibt es Fragen, Anliegen oder Probleme, die raus müssen. Während Corona haben die persönlichen Besuche zwar etwas abgenommen, aber dafür gab es mehr Gespräche per Telefon.
Keine Heiler sondern Zuhörer
Die Aufgabe eines Seelsorgers sei es nicht zu heilen, sondern die Aufgabe bestehe darin, den Leuten Raum zu geben. Präsenz im Moment, Konzentration und das achtsame Da-Sein. «Meine Erfahrung zeigt, dass sich in einem neutralen Raum, mit einer fremden Person, neue Aspekte öffnen. Dieses Setting kann etwas freilegen, was zuhause in einem gewohnten Umfeld nicht möglich ist. Meist fehlen den Leuten die richtigen Gegenüber», sagt Elisabeth Weber.
Die Seelsorger sind in der reformierten und der katholischen Kirche St.Gallen tätig und machen den Job freiwillig. Dafür braucht es keine Ausbildung, jedoch haben die meisten Erfahrung im Bereich Seelsorge.
Reden, Schweigen oder Singen
Mit dem Seelsorger wird eine sogenannte Auslegeordnung gemacht. Dabei geht es meistens um eine Sehnsucht, wo die Betroffenen nicht genau wissen, was sie eigentlich sagen möchten. Es sei zuerst ein Suche nach dem Kern und dann schaue man, was sich daraus ergibt. «Wir wissen ja auch nicht wo es lang geht. Aber wir können gewisse Sachen verstärken. Wir schauen, wie wir helfen können, indem wir zuhören, spiegeln und in einen Kontext stellen», sagt Pfarrer Hansruedi Felix .
Aber es muss nicht immer ein Gespräch sein, meist wird auch eine Kerze angezündet. Auch Stille könne funktionieren. Die Leute sind verschieden, wie Elisabeth Weber sagt: «Es kommt immer darauf an, wie viele Nähe im Raum ist. Es gibt Leute, die sehr spontan sind und drauf los erzählen.» Meist wird auch gebetet. Das Gespräch wird oft mit einem Segenszuspruch abgeschlossen. Elisabeth Weber singt diesen auch gerne, wenn die Leute das wünschen.