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Stadt St.Gallen
04.06.2021
04.06.2021 09:38 Uhr

Seelsorge: Was Zuhören bewirken kann

Pfarrer Hansruedi Felix und  Pfarrerin Elisabeth Weber
Pfarrer Hansruedi Felix und Pfarrerin Elisabeth Weber Bild: Désirée Gächter
«Ganz Ohr für Ihre Anliegen» – So heisst das Angebot der Kirche St.Laurenzen in St.Gallen, das aus der ganzen Schweiz genutzt wird. Sogar Touristen kommen vorbei, um mit den Seelsorgern zu sprechen.

Elisabeth Weber und Hansruedi Felix sind Pfarrer der Kirchgemeinde St.Gallen Centrum. Als Seelsorger hören die beiden jeden Donnerstag von 16 bis 18 Uhr den Menschen, die ihre Anliegen loswerden wollen, zu. Bis jetzt gibt es dieses Angebot nur in den Städten St.Gallen, Bern, Genf und Basel. Daher kommen Personen von überall her – sogar Touristen aus Deutschland.

Jede Geschichte ist anders

Beim Seiteneingang der St.Laurenzenkirche befindet sich jeweils am Donnerstag die Fahne des Angebots. Tritt man herein, gelangt man den langen Gang, der in einen Seitenraum der Kirche führt. In diesem Raum hat jeder die Möglichkeit mit Seelsorgern über seine Anliegen zu sprechen. Dieses Angebot gibt es schon seit 15 Jahren. Früher hiess es «Gespräch mit dem Pfarrer» und vor mehreren Monaten gab es dann das Re-Launching: Gleiches Angebot mit dem neuem Namen «Ganz Ohr».

Wie der Pfarrer Hansruedi Felix sagt, unterschätzen die Menschen ihre Geschichten: «Manchmal kommen Leute und sagen, dass sie nichts Wichtiges haben, aber sie kommen einfach mal vorbei. Und dann kommen jeweils Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden.» In der Ferienzeit seien auch schon Touristen vorbeigekommen und deponieren Sachen, die sie nicht zurück nach Hause nehmen möchten. Das Angebot während dem Abendverkauf in der St.Galler Innenstadt wird rege genutzt. Im Durchschnitt kommen eins bis drei Personen zu einem Gespräch. 

Aber auch aus diversen Gemeinden reisen Menschen extra nach St.Gallen in die St.Laurenzenkirche für diese Gespräche. Meistens sind es Gespräche über Gott und die Welt und manchmal gibt es Fragen, Anliegen oder Probleme, die raus müssen. Während Corona haben die persönlichen Besuche zwar etwas abgenommen, aber dafür gab es mehr Gespräche per Telefon.

Bild: Désirée Gächter

Keine Heiler sondern Zuhörer

Die Aufgabe eines Seelsorgers sei es nicht zu heilen, sondern die Aufgabe bestehe darin, den Leuten Raum zu geben. Präsenz im Moment, Konzentration und das achtsame Da-Sein. «Meine Erfahrung zeigt, dass sich in einem neutralen Raum,  mit einer fremden Person, neue Aspekte öffnen. Dieses Setting kann etwas freilegen, was zuhause in einem gewohnten Umfeld nicht möglich ist. Meist fehlen den Leuten die richtigen Gegenüber», sagt Elisabeth Weber.

Die Seelsorger sind in der reformierten und der katholischen Kirche St.Gallen tätig und machen den Job freiwillig. Dafür braucht es keine Ausbildung, jedoch haben die meisten Erfahrung im Bereich Seelsorge. 

«Ich glaube Seelsorge ist eine Qualität, die gewisse Grundkompetenzen braucht. Eine davon ist sicher das Know-How. Das kann man lernen und üben. Aber fast wichtiger scheint mir die Fähigkeit, ganz präsent sein zu können, ein offenes Herz haben und empathisch und mitfühlend sein.»
Elisabeth Weber, Pfarrerin

Reden, Schweigen oder Singen

Mit dem Seelsorger wird eine sogenannte Auslegeordnung gemacht. Dabei geht es meistens um eine Sehnsucht, wo die Betroffenen nicht genau wissen, was sie eigentlich sagen möchten. Es sei zuerst ein Suche nach dem Kern und dann schaue man, was sich daraus ergibt. «Wir wissen ja auch nicht wo es lang geht. Aber wir können gewisse Sachen verstärken. Wir schauen, wie wir helfen können, indem wir zuhören, spiegeln und in einen Kontext stellen», sagt Pfarrer Hansruedi Felix .

Aber es muss nicht immer ein Gespräch sein, meist wird auch eine Kerze angezündet. Auch Stille könne funktionieren. Die Leute sind verschieden, wie Elisabeth Weber sagt: «Es kommt immer darauf an, wie viele Nähe im Raum ist. Es gibt Leute, die sehr spontan sind und drauf los erzählen.» Meist wird auch gebetet. Das Gespräch wird oft mit einem Segenszuspruch abgeschlossen. Elisabeth Weber singt diesen auch gerne, wenn die Leute das wünschen.

Bild: Désirée Gächter
«Ich staune immer wieder über das Vertrauen, welches wir bekommen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich meine, die wissen nichts über mich und vertrauen mir alles an. Das finde ich unglaublich.»
Elisabeth Weber, Pfarrerin
Désirée Gächter
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