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Stadt St.Gallen
25.05.2023

«Wir unterhalten auch Leute ohne Geld»

V.l.n.r.: Rahel Merz, Max Meier, Rafael Kost und This Zogg.
V.l.n.r.: Rahel Merz, Max Meier, Rafael Kost und This Zogg. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
Luftakrobatik, Jonglage, Clownerie und Feuerkunst: Das visuelle Unterhaltungsprogramm «Variété Pavé» macht mit seiner Wanderbühne in St.Gallen Halt. Gründer und Inhaber Rafael Kost erzählt im Gespräch mit stgallen24, was hinter der Strassenkunst steckt.

Eine beschauliche, halbrunde Bühne steht vor Bankreihen und erregt die Aufmerksamkeit auf dem Pic-o-Bello-Platz vor dem Restaurant Splügen. Ab 20.15 Uhr ist der kleine Platz belebt – und wie: Eine aussergewöhnliche Show lädt zum Verweilen ein. Dahinter stecken vier Künstler, ein traditionsreiches Projekt und viel Leidenschaft.

Es ist der Schauplatz von «Variété Pavé», die mit ihrer Tournee «Ironius» in St.Gallen gastieren. Mit der Wanderbühne ziehen ein Clown, ein Jongleur, eine Luftakrobatin und ein Feuerkünstler durch die Schweiz. Letzterer ist der Kopf hinter Varieté Pavé. Rafael Kost zieht zum neunten Mal mit Variété Pavé umher.

Keine Moralpredigt

Jedes Jahr präsentiert Kost ein neues Spektakel mit jeweils wechselnden Akteuren. «Die Ideen für das Programm werden anhand der Künstler erstellt», erzählt er gegenüber stgallen24. «Wir proben gemeinsam und entwickeln so eine Darbietung weiter.» So blickt das vierköpfige Team auf fünf bis sechs Wochen Training zurück, woraus jetzt «Ironius» entstanden ist.

Ein Spektakel, bei dem es viel zu lachen gibt: Eine aus Schrott gebastelte Hund-Kreatur fungiert als Tiernummer und Humor und Geschick umrahmen den Fokus auf aktuelle Themen wie die Schnelllebigkeit. Kost ist Autor und arbeitete mit einem Regisseur zusammen, um Ironius zum Leben zu erwecken.

Das Gezeigte lasse sich nicht als umfassend detaillierte Geschichte wie in etwa eine Love-Story im Strassentheater betrachten. «Wir treten mitten in der Innenstadt auf, wo viel Laufpublikum kommt», erklärt der 58-jährige Kost. «Jederzeit kann ein Zuschauer mit einsteigen und versteht, worum es gerade in der Show geht.»

Auf die Wettergötter angewiesen

Am Dienstag feierte Variété Pavé die Gallusstadt-Premiere – und wurde von Petrus nicht verschont und auch am Mittwoch gab es nicht viel Erbarmen. «Nein, aktuell ist das Wetter nicht optimal. Aber am Wochenende sieht es viel besser aus», lacht Kost.

«Bei sehr schlechtem Wetter spielen wir gratis. Dafür gewinnen wir bei schönem Wetter.» So gleiche sich die Arbeit unter freiem Himmel aus. Im Sommer seien die Leute lieber an der frischen Luft, als beispielsweise im stickigen Zirkuszelt. «Da profitiert die Wanderbühne», grinst Kost, der Erfahrung in beiden Bereichen sammelte.

Mit Rahel Merz zeigt eine der besten Schweizer Luftartisten ihr Können. This Zogg und Max Meier sind zwei Clowns, die neben dem Engagement bei Variété Pavé selbst auf ihrem Fachgebiet Unterricht geben und als Klinikclowns sowie bei «Clowns ohne Grenzen» ein Lachen aus den Menschen herauskitzeln. Auch schon waren ein Hochseilkünstler und ein Musiker mit von der Partie.

 

  • Luftartistin Rahel Merz: Eine der besten ihres Fachs. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
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  • Rafael Kost: Feuerkünstler, Autor, Gründer und Inhaber von Variété Pavé. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
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Kost selbst bringt 32 Jahre Erfahrung als Strassenkünstler mit. Der gelernte Fotolaborant studierte einst Fotografie in den USA, bevor es ihn zu anderem Schaffen hinzog. Er eignete sich die Kunst im Umgang mit dem Feuer an und wurde zufällig beim Üben auf der Strasse entdeckt. Der Surseener tauchte in die Zirkuswelt ein, wo ein Traum wuchs.

Er wollte reisen – und wie er das tat. Kost war seither nicht mehr sesshaft. «Ich habe einmal versucht, wieder in einer Wohnung zu leben», meint er. Das Vorhaben sei kläglich gescheitert, denn er halte es dort nicht aus.

Nun hängt er den alten Zirkus-Knie-Wagen und die Wanderbühne an einen Traktor und kutschiert sie von Ort zu Ort. Die Liebe dazu komme nicht von ungefähr: «Meine Appenzeller Grossmutter lebte als Fahrende – ich trage dieses Blut in mir», verrät er schmunzelnd.

Lachende Gesichter als Lohn

Variété Pavé lebt überall ein wenig und finanziert sich «aus dem Hut». Denn um in den Rängen zu den Füssen der Artisten Platz zu nehmen, zahlt das Publikum kein Geld. Im Anschluss können die Leute jedoch eine Gage in einen Hut geben.

Das Prinzip läuft bei allen etwa 80 Vorstellungen gleich. «Wir unterhalten auch Leute, die kein Geld haben», sagt Kost. Viel schlimmer als ein gagenloser Auftritt sei für die Künstler, wenn Zuschauer nichts sagen und gleich davonspringen.

  • Spektakel pur: Kost mit seiner Feuereinlage. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
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  • This Zogg (vorne) mit Clownkollege und Jongleur Max Meier. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
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  • Die Innenstadt wird durch Variété Pavé gefüllt. Bild: Variété Pavé/Rafael Kost
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Oftmals schauen die Vier aber in lachende Gesichter, von jung bis alt. «Wir können alle Menschen abholen, die Interesse zeigen.» Zur Vorstellung gestern sei eine ganze Schulklasse gekommen: «Am Schluss sah man in den ersten vier Reihen Handys auf uns gerichtet.» Das sei auch eine Form der Wertschätzung, einfach die moderne Art.

Leidenschaft zum Erfolg

Rafael Kost ist das Handwerk wichtig, er führt sein Werk mit viel Leidenschaft. Das Projekt hat Erfolg: Mit jedem Jahr, mit jeder Tour wurde Variété Pavé berühmter. Mittlerweile gibt es gar ein Stammpublikum, das auch einmal den Vorstellungsorten hinterher reist.

Wenn das Wetter mitspielt, wie beispielsweise im letzten Sommer, trägt die visuelle Unterhaltung beachtliche Früchte: In Sursee spielte Kost dreimal vor 600 Leuten, an Spitzentagen waren es gar eintausend – ein erfreulicher Erfolg für das kleine, aber spektakuläre Variété Pavé.

Variété Pavé in der Umgebung

23. bis 27. Mai, Pic-o-Bello-Platz/Restaurant Splügen (St.Gallen), 20.15 Uhr

25. bis 27. Juli, Schulhausplatz/Kirchgasse (Wil), 20.30 Uhr

28. bis 30. Juli, Goldener Boden/Hintergasse (Lichtensteig), 20.30 Uhr

Alle Orte sind hier einsehbar.

Simea Rüegg/stgallen24
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