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Stadt St.Gallen
06.02.2022
05.02.2022 19:51 Uhr

Ehren-Föbüs oder Beeren-Föbüs?

Bild: pixabay
Der St.Galler Autor Théo Buff präsentiert regelmässig Lese-Häppchen aus seiner Trilogie «Mord in Sankt Gallen und andere Geschichten». Heute folgt der vierte Teil von «Zwischenwelten. Unheil im Westen».

Im Krimi Zwischenwelten, dem dritten der Trilogie «Mord in St.Gallen», geht es unter anderem um die Fasnacht, um die mysteriösen Raunächte zu Beginn des Jahres, aber natürlich auch um Mord und Totschlag. Und andere spannende und eindrückliche «St.Galler Gschichten». Da und dort schimmert auch Corona durch. Dezent nur. In dieser Folge und gleichsam als Einstieg steht nun also die 5. Jahreszeit, wie die Fasnacht ebenfalls genannt wird, im Vordergrund, Kommissar Häfeli schwelgt in Erinnerungen an den früheren Mohrenball im Hotel Ekkehard, dem Highlight der St.Galler Fasnachtsbälle. Diese Jahr läuft die Fasnacht wieder auf Sparflamme, und nicht nur die Guggen machen sich Sorgen um ihren Bestand.

Was bisher geschah: Siehe Folge 3

Folge 4: Ehren-Föbüs oder Beeren-Föbüs?

Political Correctness? Und das an der Fasnacht. Ein Unding. Und in dieser Zeit. Ein Begriff, den viele gar nicht mehr verstehen, die gesamte Tragweite schon gar nicht. Kürzlich hatte ein Grossverteiler für seine Mohrenköpfe plakativ etwa so geworben: Weisse Schokoküsse, eindeutig und garantiert ohne Immigrationshintergrund – und so einen beachtlichen Shitstorm verursacht. Das wollte der Stadtrat bei seiner Bewilligungspraxis für das Fasnachtsplakat natürlichst vermeiden. Versteht sich. Und ja nicht krampfhaft originell wirken, wie diese Werbebüros. War er aber ohnehin selten, originell. Der Stadtrat.
Bis der sich entschieden hatte, würde die Fasnacht längst vorüber sein. Tant pis.

Alles Chabis. Häfeli zog einem Mohrenkopf sein goldenes Alu-Kleid aus. Bis er nackt da stand, oder war’s eine sie? Ganz lecker. Absolut.

Dieses Jahr sollte der Fasnachtsball wieder im Hotel Blaues Kreuz im Westen der Stadt stattfinden: Neu hiess die Veranstaltung Thorenball, in Anlehnung an nordische Götter und Verschwörungsgeschichten. Verschwörungsgeschichten in Sankt Gallen? Chabis, schon wieder.

Häfeli machte sich Sorgen zu seinem Zeit-Budget. An der Fasnacht würde er viel zu tun haben, obwohl er Ferien eingetragen hatte: Der Thorenball. Das Theaterstück mit den Theaterfreunden Tablat, Sodom und Gomera. Die Aufführung Warten auf Godot mit dem Stadtrat und den letzten halbwegs originellen Beamten in der Kellerbühne. Wie sollte das alles und auch noch erfolgreich nebeneinander hergehen?
Ob Tante Jule in dieser Zeit auf Roberto und Patrizia aufpassen könnte?

«Was ist jetzt mit eurem Fasnachtsball, sollen wir da alle drei hingehen», fragte Annegret Wetterstein, die neue dritte Kommissarin, «verkleidet natürlich, unkenntlich für alle?» «Ich finde das eine sehr gute Idee!» Auch Kraienbühl freute sich; Häfeli murmelte etwas Undefinierbares vor sich hin.

«Du, da lese ich gerade in der Zeitung, der Verschuss des Ehren-Föbüs ist dieses Jahr kurzfristig abgesagt worden», sagte Kraienbühl ziemlich verdutzt. «Und weisst du wieso? Nein, nicht weil die Kanone wieder einmal kaputt ist; und ja, es haben sich viele gemeldet, die meinten, sie würden sich eignen, sie hätten genug Födli gezeigt, im letzten Jahr, auch Frauen. Die seien aber alle zusammen völlig ungeeignet, schreibt das Fasnachts-Komitee. Nur Unsinn im Kopf. Oder Himbeeren. Beeren-Föbüs also. Das Pulver für den Verschuss mit der Konfetti-Kanone nicht wert».

«Alles Autisten» brummte Häfeli. «Damit es klar ist, es geht hier nicht ums Hosen herunterlassen, na ja, höchstens ein bisschen, für Halbprominente und Fast-Wichtigtuer. Wer hat denn in dieser Stadt überhaupt noch Mut, und Humor? das braucht’s nämlich auch noch. Äbä Födle!» Der Kommissar machte eine abschätzige Handbewegung. «Und so wurde der Brauch zu einer Farce, über die Jahre hinweg inflationär abgewertet. Bis nichts mehr da ist. So laufen sich alte Bräuche zu Tode, und verschwinden. Der Entscheid war in diesem Fall der einzig Richtige. Vielleicht finden die im nächsten Jahr wieder mal einen echten Födlibürger? Männlich oder weiblich spielt keine Rolle.»

«Soll ich dich anmelden?»
«Chabis! Und wenn es nicht der einzige Sankt Galler Fasnachtsbrauch wäre auch nicht schade. Übrigens, Hugelshofer, mein Lieblingsnachbar und Banker würde sich bereit erklären, das Amt zu übernehmen. Uneigennützig und ohne Kostenfolge, selbstverständlich. Oder der Schulvorstand?»
«Aha. Bleiben noch die Schnitzelbänkler übrig, die Lästerzungen und wie die alle heissen. Ob das ausreicht für die Zukunft der Fasnacht? Na ja, vielleicht mit Dolmetscher, wie in der Schule bei den Elterngesprächen? Und wer weiss, ob es den Thorenball nächstes Jahr überhaupt noch gibt.»

Am nächsten Sonntag geht’s weiter!

Autor Théo Buff Bild: zVg

Über den Autor

Geschichtenerzähler. Original. Verwirrspieler. Philosoph. Historiker. Märchenfreund. Bücherwurm. Reisender. Lebenskünstler. Geniesser. Liebt Wortkreationen und Spiele. Üppig und opulent. Scharfzüngig. Mit Schalk.

Lic. phil. hist., Universität Bern. Bürger von Speicher AR. Geboren am 10. Mai 1956 in Sankt Gallen und dort aufgewachsen. Hier beschult, ohne echte Begeisterung. Aber sorgfältig und zuverlässig. Lebensschulen: zwei Berufslehren, Militär, Zweitwegmatura. Studierte in Bern und Sevilla Neuere Geschichte, Staatsrecht, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte/Politologie, und Soziologie und Sozialpsychologie.

Lehrbeauftragter Allgemeinbildende Fächer am GBS Sankt Gallen. Herzblut-Journalist beim St.Galler Tagblatt.

Meist linke Hand des Bauvorstands der Stadt Sankt Gallen (Bausekretär-Stellvertreter). Engagierter Hofnarr, auch dazu braucht’s Galgenhumor. Und nicht zu knapp. Mentor und Autor verschiedener Publikationen über seine Stadt. Heute im Unruhezustand. Aber weiterhin fröhlich. Und auf den Krimi gekommen.

Die Trilogie Mord in Sankt Gallen und andere Geschichten ist im Buchhandel oder direkt beim Autoren (theo.buff@bluewin.ch) erhältlich.. Mehr auch unter www.theobuff.ch

Théo Buff, Autor
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